Das scheinbar Einfache

Das scheinbar Einfache

Etliche jener Menschen, die ihre ersten Begegnungen mit der Idiolektik und ihrer Technik haben, schildern, wie schwer es ihnen fällt, einfache Fragen nach einfachen Dingen zu stellen. Dabei ist es so eine wunderbare Art, quasi frei Haus so ganz nebenbei jemanden kennenzulernen. Denn: Wenn jemand über z.B. Gegenstände erzählt, schwingen da stets Erinnerungen, Wertvorstellungen und Erfahrungen mit, die wir wahrnehmen können.

Ein netter Einstieg in die Idiolektik ist, sich Gegenstände beschreiben zu lassen. Stelle Fragen zu diesem Gegenstand, sodass Du ihn anschließend zeichnen könntest, und bleibe dabei möglichst bei den Worten Deines Gegenübers. Was für Fragen bieten sich da an?

„Kannst du mir (…) beschreiben?“
„Wie kann ich mir (…) vorstellen?“
„Wie schaut (…) aus?“
„Was ist da noch?“
„Was für eine Farbe hat (…)?“

Wie könnte so ein Gespräch verlaufen?

„Kannst mit einen Kugelschreiber beschreiben?“ – „Naja, der ist aus Holz, so handgedrechselt, den hab ich auf einem Kunsthandwerksmarkt gekauft.“ – „Wie schaut das Holz aus?“ – „So hell, helles Holz, mit dunkelbraunen Linien.“ – „Was ist da noch?“ – „Da sind noch Messingteile. Der Mittelring, und da wo die Mine rauskommt, so ein Kegel ist da, und am andere Ende der Knopf, mit dem man die Mine so rein und raus klicken kann. Und da oben ist dann auch der Klip befestigt, also so eine Halterung, damit man das Ding dann auch festklippen kann.“ – „Und wie kann ich mir die Form vorstellen?“ – „So doppelt geschwungen, also, so in der Mitte ist er am dünnsten, so tailliert. Und der Teil, den man hält, der ist ein bißchen dicker als der andere Teil, der da oben, der so zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger zu liegen kommt.“ – Was kannst noch dazu sagen?“ – „Dass er recht schwer ist, er liegt schwer in der Hand, und wenn die Mine nicht gerade verstopft ist, schreibt er auch sehr schön.“ – „Er liegt schwer in der Hand?“ – „Ja, da… da spüre ich, dass… Ich hab das Gefühl, dass ich dann langsamer werde, ruhig irgendwie.“

Oder wir nehmen den Kugelschreiber nur als Einstiegsfrage und lassen uns dann sozusagen dahin treiben, wohin es uns zieht.

„Kannst mit einen Kugelschreiber beschreiben?“ – „Naja, der ist aus Holz, so handgedrechselt, den hab ich auf einem Kunsthandwerksmarkt gekauft.“ – „Was gab es da noch auf dem Kunsthandwerksmarkt?“ – „Naja, so Filzsachen, Papierkunst, eben den Drechsler, und noch etliche andere. Eine Frau, die hat so aus Treibholz und Steinen total nette so Schilder gemacht, die waren toll.“ – „Kannst mir so ein Schild beschreiben?“ – „Ja, da war zum Beispiel so ein altes Stück Holz, das war mal ein Brett, so total verwittert und so… Da hat sie ein Stück Ziegel draufgeklebt, das war auch total verwittert und abgerundet, und darauf so aus einem Spiraldraht ein Platz für eine Kerze, und mit so einer Schrift stand da ‚Herzlich willkommen‘ drauf. Hat total nett ausgeschaut.“ – „Magst mir noch was zum ‚verwittert‘ sagen?“ – „Ja… das sind halt so Sachen, die man sonst wohl wegschmeisst, weil die halt nicht mehr so schön sind, so wie man es halt gewohnt ist, so glatt und regelmäßig. Ich finde es ja total super, wenn jemand solche Sachen dann nochmals zum Leben erweckt, ihnen Platz gibt… Solche verwitterten Sachen können Geschichten erzählen… so wie Falten in einem Gesicht… die machen es ja auch interessant.“

Oft können wir beobachten, dass durch diese Fragen nach Dingen und Details Momente der Ruhe und Berührtheit entstehen – im letzten Gespräch war eine solche im zweiten Teil der letzten Antwort stark spürbar, aber auch im ersten Gespräch folgte der Frage nach dem „schwer in der Hand liegen“ ein Moment der Ruhe. Es ist, als würde in diese Ruhe eine innere Instanz des Gegenüber das Gesagte umordnen, in neue Zusammenhänge bringen und damit vielleicht neue Möglichkeiten eröffnen.

Mir scheint, als würde Idiolektik dem Gesagten einen würdevollen Rahmen geben, der das Gesagte hervorhebt und ihm Tiefe verleiht, und dieser Tiefe den Raum geben, wirken zu können.

Ganz einfach so.

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