Fenster und Türen

Fenster und Türen

Was haben Fenster und Türen mit Idiolektik zu tun? Nun, mit jeder Frage, die ich stelle, lade ich mein Gegenüber dazu ein, einen anderen Raum zu betreten oder zu beschreiben. Nehmen wir als Beispiel eine Sequenz aus einem vorigen Beitrag „Das scheinbar Einfache“:

„Kannst mit einen Kugelschreiber beschreiben?“ – „Naja, der ist aus Holz, so handgedrechselt, den hab ich auf einem Kunsthandwerksmarkt gekauft.“ – „Was gab es da noch auf dem Kunsthandwerksmarkt?“

Gesprächsauszug

Das Wort „Kunsthandwerksmarkt“ ist die Tür in einen anderen Raum, die Frage danach eine Einladung, mich in diesen Raum mitzunehmen. Und so kann ein Gespräch von Raum zu Raum führen, scheinbar ohne Ziel und ohne Ordnung, immer orientiert am Gesagten.

Bild von Manfred Antranias Zimmer auf Pixabay

Manche Räume haben auch Fenster, durch die man in andere Landschaften oder Räume blicken kann, ohne sie aber zu betreten. Es ist schwer in Worte zu fassen, was für mich diesen Unterschied ausmacht… Oft ist es ein Zögern in der Stimmmelodie, das mir anzeigt, dass wie hier metaphorisch vor einem Fenster stehen, nicht vor einer Tür. Es kann sehr hilfreich sein, durch ein Fenster auf etwas zu blicken und es aus sicherer Distanz zu beschreiben.

Manchmal können wir als Fragende helfen, aus dem direken Geschehen herauszutreten, Distanz zu schaffen und den Blick durch ein solches metaphorisches Fenster lenken:

Es ist alles so unglaublich eng und dicht. Da ist… weißt, da ist kaum Bewegung mehr möglich, und Überblick hab ich auch keinen.“ – „Wo müsstest Du sein, um Überblick zu haben?“ – „Keine Ahnung. Weiter weg halt.“ – „Und wenn Du weiter weg bist: wie schaut dieses eng und dicht aus?“ – „Witzig… eigentlich recht klein, ich hätte es mir größer vorgestellt.

Gesprächsauszug

Wie kann man noch einen „Blick durch ein Fenster“ initiieren? Zum Beispiel können wir unser Gegenüber bitten, eine Metapher oder ein Bild für eine belastende Situation zu finden.

(„Eng und dicht“ wurde in dem Gespäch mehrmals wieder aufgenommen) „Da ist es ja schon wieder, dieses eng und dicht!“ – „Wenn Du diesem eng und dicht so nachspürst… und es zeichnen würdest… wie würde dieses Bild wohl aussehen?“ – „Puh… ich kann nicht gut zeichnen. Aber so als erstes kommt mir ein Wollknäuel in den Sinn, also so ein… da sind ganz viele Fäden drin, nicht nur einer. Das sieht man an den, an den vielen Enden, die da so rausschauen überall.“ – „Was sind das für Fäden?“ – „Naja, ziemlich bunt auf alle Fälle. Einige sind dick, andere dünn, wahrscheinlich sind sie auch unterschiedlich lang, aber… aber das lässt sich nicht sehen.

Gesprächsausschnitt

Es fällt oft leichter, über diese entstehenden Bilder zu sprechen – sie sind konkret, man wahrt eine gewisse Distanz. Und wir als Fragende können sicher sein, dass eine oder mehrere Instanzen der/des Erzählenden alle möglichen Querverbindungen zu dem eigentlichen Thema machen.

Dann und wann dürfen wir teilhaben an einem Aha-Erlebnis, wenn plötzlich ein ganz neuer Blick auf etwas ermöglicht wird, und sich neue Spielräume eröffnen. Aber wesentlich öfter sind die Auswirkungen derartiger Gespräche, Bilder und Gedanken erst später spür- und erlebbar, und nicht immer kommen wir in den Genuß einer solchen unmittelbaren Teilhabe.

Auf alle Fälle erlebe ich diese Möglichkeit des „Blickens durch das Fenster“ immer wieder als sehr hilfreich bei Gesprächen. Dieser Abstand kann etwas Leichtigkeit und Entspannung bringen, und damit Zugang zu Verhaltensmöglichkeiten und Ressourcen ermöglichen, die im „mitten drin sein“ rein physiologisch nicht zur Verfügung stehen.

Eine wunderbare Sache, finde ich!

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