Buchtipp „Inkognito“

Buchtipp „Inkognito“

David Eagleman
INKOGNITO
Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns
ISBN 978-3-570-55223-0

Nun lese ich das Buch von David Eagleman zum zweiten Male und bin wieder begeistert. Und wenn mich was begeistert, entwickle ich ein gewisses Mitteilungsbedürfnis, was sich dann in dem Gedanken niederschlug, dass ich diesen Blog hier ja auch für Buchtipps nutzen könnte. Und genau das möchte ich nun tun. Allerdings… Meine letzte Buchbeschreibung, so scheint es mir, habe ich wohl im Deutschunterricht im Gymnasium geschrieben. Es gibt sicherlich Regeln, wie eine solche zu gestalten sei – allerdings sind diese in der Tiefe meiner Gehirnwindungen unauffindbar geworden, sodass ich mich nun sozusagen regellos ans Werk mache. Mein Deutschlehrer möge mir verzeihen.

Seit geraumer Zeit bin ich bemüht, mir Wissen anzulesen, wie Sprache und Kommunikation denn „funktioniert“, und wie sich unser individuelles Bild von der Welt und der darin agierenden Wesen gestaltet. Ich bin weder Arzt noch Psychologe, und als solcher bin ich jedesmal dankbar, wenn ich auf Literatur stoße, die auch für mich als -wenngleich sehr interessierten, aber immer noch- Laien gut lesbar ist.

In „Inkognito“ beschreibt der Autor, welche Leistungen unser Gehirn laufend erbringt, ohne dass wir davon Kenntnis nehmen würden, und wie es unsere Entscheidungen beeinflusst.

„Ihr Bewusstsein ist wie ein blinder Passagier auf einem Ozeandampfer, der behauptet, das Schiff zu steuern, ohne auch nur von der Existenz des gewaltigen Maschinenraums im Inneren zu wissen.“

Eagleman, Inkognito

Im Buch finden sich zahlreiche Beschreibungen von Experimenten, die uns ein wenig hinter die eigenen Kulisse schauen lassen. Die angeführten Beispiele streifen die Lebenswelten von Richtern, Cup-Stackern, Baseball- oder Tennisspielern, Stripperinnen, japanischen Hühnerzüchtern und anderen.

Rund um die Beantwortung der eingangs gestellten Frage, wie ich mir mein individuelles Bild von der Welt und der darin agierenden Wesen gestalte, liefert „Inkognito“ mir zahlreiche Denkanstöße, bzw. bringt Belege, dass nicht das, was ich gemeinhin als „ich“ bezeichne, mein Bild von der Welt gestaltet, sondern zahlreiche Instanzen in meinem Gehirn sozusagen ihren Senf dazugeben und hinter „meinem“ Rücken, ohne mich zu fragen, dieses Bild fertigstellen bzw. laufend daran herumbessern.

Ich musste beim Lesen öfters an einen anderen Buchtitel denken, ich glaube er lautet in etwa „Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“. Vor allem im Kapitel „Ein Team von Gegenspielern“ beschreibt Eagleman, wie ich mir Entscheidungsprozesse im Gehirn als das Ergebnis einer lebhaften parlamentarischen Auseinandersetzungen vorstellen kann. Und er zeigt auf, wieso diese Entscheidungsprozesse nicht jedesmal zum selben Ergebnis kommen – je nachdem, welche meiner inneren Parteien im Parlament gerade die Oberhand hat (egal, wie diese errungen wurde!), kann das Ergebnis einmal so und ein anderes Mal komplett konträr ausfallen.

Auch die daraus resultierende Frage des „freien Willens“ lässt der Autor nicht aus und bringt Gedanken ein, wie eine Rechtsprechung aussehen könnte, die die Erkenntnisse der Neurowissenschaften berücksichtigen würde.

Kurz gesagt: für Menschen, die zwar auf Fachvokabular, aber nicht auf fundierte Informationen zum Thema „ich und die Welt“ verzichten wollen, ist dieses Buch, denke ich, eine wunderbare Gelegenheit, sich ein bisserl in die Innenwelten entführen zu lassen.

Zum Abschluss noch ein Zitat – die letzten Zeilen des Buches.

„Es ist ein Organ, das uns fremd und exotisch vorkommt, doch seine detaillierten Verschaltungsmuster bilden die Landschaft unseres Innenlebens. Unser Gehirn ist ein verwirrendes Meisterwerk, und wir haben das Privileg, in einer Zeit zu leben, die die Technologie und den Willes hat, es zu erforschen. Es ist das Erstaunlichste, was das Universum hervorgebracht hat. „

Eagleman, Inkognito

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert