Wenn es mit dem Unverfänglichen nicht klappt

Wenn es mit dem Unverfänglichen nicht klappt

Manchmal ist es so, dass unsere Gesprächspartner unsere Angebote, auf Nebenschauplätze oder vermeintlich Unverfängliches zu sprechen zu kommen, schlichtweg ablehnen. Dies mag vor allem dann vorkommen, wenn unser Gegenüber einen großen Leidensdruck hat und die idiolektische Technik noch nicht kennt. Aber ich kenne es ja auch von mir selber – manchmal will ich „Tacheles reden“ und nicht über nette Blumen und Käfer im Sonnenschein. Wie also umgehen mit dem Wunsch meiner Gesprächspartnerin/meines Gesprächspartners und meinem Bestreben nach „Konkretem, vermeintlich Unverfänglichem“ zu fragen? Immerhin war dies ja der Einstieg in die Idiolektik, oder?

Nun, ich habe Gott sei Dank die Technik, welche sich per se ja nicht ändert, das heißt, ich kann meinen Handwerkskoffer nehmen und mit den bekannten Werkzeugen arbeiten. Welche Möglichkeiten gibt es denn, und was kann hilfreich sein?

„Gibt es etwas, das Du heute erzählen magst?“

„Naja… eigentlich wollte ich ja von meinen Plänen mit der Firma erzählen, aber jetzt… mein Nacken, meine Schultern tun seit Tagen weh, oder… nein, nicht weh, aber da ist so Druck und Spannung oder so… das zieht sich den Rücken runter bis hierhin ungefähr (deutet auf Nierengegend). Ist halt nicht angenehm.“

„Was sind denn die Pläne für Deine Firma?“

„Ah, da mag ich jetzt gar nicht reden. Aber das mit dem Rücken und so…“

Der erste Gesprächseinstieg, auf eine vermeintliche Ressource zu kommen, wurde also abgelehnt. Vielleicht wäre es besser gewesen, an dieser Stelle ganz offen zu fragen „Und jetzt – worüber magst Du jetzt reden?“, dann wäre diese kleine Irritation vielleicht ausgeblieben. In meinem Bemühen, anfangs auf das vermeintlich Unverfängliche zu kommen, habe ich wohl ein gegenteiliges Signal übersehen. Um das transparent zu machen, frage ich also weiter und lasse mir -nach einer Bestätigung- „das mit dem Rücken“ beschreiben.

„Ich habe den Eindruck, das mit dem Rücken beschäftigt Dich gerade?“

(nickt und brummt was in der Art von Mhm)

„Kannst Du mir das etwas genauer beschreiben, wie das jetzt gerade ist?“

Ich greife also auf die Technik, mir etwas beschreiben lassen zurück – auch hätte ich konkreter fragen können „Kannst Du mir den Druck und die Spannung genauer beschreiben? Wie kann ich mir die vorstellen?“, aber in der Gesprächssituation fiel mir dies aus welchen Gründen auch immer nicht ein.

(Setzt sich aufrechter hin, macht kurz ein Hohlkreuz) „Jetzt gerade… hmm…“ (kreist mit den Schultern) „Es fühlt sich wie eingerostet an, aber so große Kreise mit den Schultern, also mit… das tut gut, da knirscht und grammelt es richtig.“

„Knirscht und grammelt?“

„Ja, als würde sich da ganz viel Rost lösen irgendwie. Aber dazu… Also, das geht nur wenn ich ganz große Kreise mache.“

„Und wenn sich der Rost löst… Was ist dann?“

„Dann geht die Bewegung viel leichter. Jetzt tut sie… jetzt ist sie unangenehm, jedenfalls ab hier.“ (verharrt in einer bestimmte Position, der Oberarm ist etwa auf Höhe des Ohres) „Aber wenn ich da jetzt ganz langsam weiter mache…“ (macht die entsprechende Bewegung) „… dann geht es. Und wenn ich es noch einmal mache, geht es besser. Und irgendwann… naja, man wir ja noch träumen dürfen.“ (Lacht wie verlegen)

Das Bild vom Rost, der sich ablöst, führte zu ganz konkreten körperlichen Bewegungen und Empfindungen. Konkreter geht es ja fast nicht. Wir blieben eine ganze Weile bei diesen Bewegungen und dem Traum, dass er „ganz geschmeidig, kraftvoll und ohne Schmerzen die Arme wie eine Windmühle herumschleudern“ kann.

„Wie macht das eine Windmühle?“

„Naja, die ist ganz stabil gebaut. Die muss gut verankert sein. Ja, und sie… ha, ich glaube, die kann sich mit dem Wind drehen, also so ausrichten, so… dass sie den Wind halt optimal auffangen kann. Und wenn der Wind zu stark ist, dann kann man irgendwie die Flügel anlegen, ich denke das ist ganz wichtig.“

„Und wann weiß man, wann man die Flügel anlegen muss?“

„Ja, ich denke das ist Erfahrung. Oder vielleicht spürt man es auch, ich kann mir vorstellen, dass die Mühle dann vibriert, so auf eine Art dass man weiß… Vielleicht passiert das auch von alleine, also dass da so ein Mechanismus ist, der die Flügel einklappt, wenn sich das Ding zu schnell dreht. Das wäre natürlich ziemlich schlau.“

Im Laufe des Gespräches pendelten wir zwischen dem Schulter-Rückenbereich, Rost und der Windmühle hin und her. Auch ein Falke und ein Tölpel kamen kurz vor – sie legen die Flügel ganz eng an, um Geschwindigkeit aufzubauen, im Falle des Tölpels um tief ins Meer einzutauchen. Aber das Hauptbild, die Hauptmetapher war die Windmühle. Dabei tauchte wieder der „Druck und Spannung“ von der Eingangssequenz auf.

„Druck und Spannung – wie kann ich mir das vorstellen?“

„Hmm… So das Gefühl, dass… ja, dass auch in Ruhe die Muskeln angespannt sind. Wäre dabei doch gar nicht nötig. (…)“

„Und hast Du eine Idee, wann es gut sein könnte, die Muskeln angespannt zu haben?“

„Wenn ich in Gefahr bin. Oder auf der Hut sein muss, damit ich dann ganz schnell reagieren kann. Aber irgendwann muss doch auch mal Ruhe sein, oder?

Wir blieben eine kleine Weile bei diesem Gegensatzpaar Spannung und Ruhe. Die Sequenz endete damit, dass mein Gegenüber sich im Sessel zurechtrückte und eine Position einnahm, die er beschrieb als

„So wie jetzt… Da kann ich ruhig sein. Ich habe da eine Stütze im Rücken, auch einen Schutz. Da kann nix kommen. Und auch mein Kopf… es ist gut, den Kopf auch anlehnen zu können. Zu Hause habe ich keinen solchen Sessel…“ (Lacht) „Ich glaub, ich werd mir so einen kaufen!“

(…)

„Und wenn Du jetzt so zurückdenkst an das Gespräch… die Schultern, Druck und Spannung, Rost der sich löst, Windmühlen die wissen, wann sie die Flügel einklappen müssen… und auch an die Vögel… Was geht Dir dann so durch den Sinn?“

„Hmm… dass ich so die Schultern, also dieses Schulterkreisen hat gut getan, fühlt sich schon besser an. Und was mir so durch den Sinn geht… Irgendwie dass… so ein Bild, dass man sich manchmal von Wind so richtig durchputzen lassen muss, mit ausgebreiteten Flügeln. Dann fliegt der ganze Rost weg. „

Das Gespräch endete kurz nach dieser Sequenz. Leider fand es keine Fortsetzung. Natürlich hätte ich gerne gewusst, ob das Gespräch und die aufgetauchten Bilder sich als hilfreich erwiesen haben. Aber so ist das halt – manchmal dürfen wir sozusagen die Ernte eines Gespräches miterleben, und manchmal eben nicht.

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