Schwierige Themen

Schwierige Themen

Es kann immer wieder sein, dass wir mit schwierigen Themen konfrontiert werden. Und es kann immer wieder gute Gründe dafür geben, diese schwierigen Themen zu erforschen und nachzufragen. Vielleicht braucht es erst einmal so etwas wie Würdigung, dass eine Situation jetzt gerade schwierig ist, bevor der Klient bereit ist, vom Thema abzulassen und Angebote, nach Ressourcen zu forschen, anzunehmen.

Bild von Oliver Bender auf Pixabay

Einer meiner Lehrer, Tilman Rentel, ist Co-Autor eines hoffentlich bald erscheinenden Buches „Einfach Fragen – in Licht und Schatten, Eigensprache in der Traumatherapie“, und darin findet sich ein schönes Gesprächsbeispiel, bei dem im Rahmen eines Seminars bewusst mit einem unangenehmen Thema begonnen wurde, um das Aufgreifen und sich Entfaltenlassen von Ressourcen im Gespräch zu demonstrieren. Das Gespräch fand per Zoom statt, d.h. es konnte nicht die ganze Gestik wahrgenommen werden.

Mit seinem Einverständnis und dem des Klienten (das war ich) ist das Gespräch hier ungekürzt wiedergegeben, und ich habe lediglich den einen oder anderen Kommentar hinzugefügt.

„Gibt es etwas, das dir gerade nicht so gefällt?“

„Dass ich krank bin.“

„Magst du beschreiben, was das für ein krank sein ist?“

Getreu der Idee, mit einem eher unangenehmen Thema zu starten, lässt sich der Therapeut dieses „krank sein“ beschreiben.

„Das weiß ich noch nicht so genau. Die letzte Tochter, die bei uns im Haus wohnt, ist Covid-19 positiv und seit ein paar Tagen haben meine Frau und ich auch Symptome. Wir wissen noch nicht, ob es Covid ist oder eine normale grippale Geschichte ist. Es ist halt so Mattigkeit, Kopfschmerzen, Kopfhaut tut weh und es ist einfach „bäh“.“

„Wie hat sich das entwickelt in den letzten Tagen?“

„Begonnen hat es mit einer Schlappheit. Und mit so einem seltsamen Temperaturempfinden, dass ich bei ganz kurzen Bewegungen gefühlte Schweißausbrüche hatte. Und dann eben in der Nacht von Samstag auf Sonntag anscheinend gar nicht mal so hohes Fieber, aber so Träume, wie ich sie nur von Fieberträumen her kenne. Mit sich wiederholenden Szenen, wo ich nicht aussteigen konnte. Das war nicht schön. Und dann halt so Kopf- und Nackenschmerzen. Ab und zu erhöhte Temperatur. Ein bisserl Husten.“

„Bei mir klingen noch die Träume nach, wo Du nicht aussteigen konntest. Magst du etwas dazu sagen, wo du gerne hingekommen wärst, wenn du da ausgestiegen wärst?“

Die Aussage „wo ich nicht aussteigen konnte“ wird aufgegriffen und im Sinne eines Wunschszenarios in eine Frage verpackt.

„Das wäre ganz egal gewesen. Ich weiß gar nicht mehr, was es ist. Es war jetzt kein Alptraum, keine schreckliche Szene. Es hatte irgendwas mit einem Formular im Krankenhaus zu tun und da ist die Arbeitswelt irgendwie hineingeschwommen. Es war nicht nur geträumt. Ich war ja wach und habe gedacht „Ich denke jetzt an was anderes“ und es ist mir nicht gelungen.“

„An was würdest du denn gerne denken?“

Das Angebot, die Ressource des Ausstiegs zu beschreiben, wird nicht angenommen. Also wird nun das „Ich denke jetzt an was anderes“ aufgenommen und nachgefragt.

„Jetzt? Gesund sein ist schon mal nicht schlecht.“

„Magst du mir darüber etwas erzählen, über dieses Gesund sein, was nicht schlecht ist?“

„Gesund sein heißt für mich… hat viel mit Schmerzfreiheit zu tun. Wobei ich kann auch gesund sein und trotzdem Schmerzen haben. Im Vollbesitz meiner – zwar altersmäßig nicht mehr so wilden – Kräfte, aber trotzdem so halt das, was mir zur Verfügung steht, das auch ausnützen können.“

„Wie kann ich mir das vorstellen, wie das ausschaut, wenn du deine Kräfte altersgemäß ausschöpfen kannst?“

Gesundsein als Ressource wird genannt. Die Frage „Wie kann ich mir das vorstellen…“ ist eine Einladung, diese Ressource zu konkretisieren.

„Dass ich kleine Gartenarbeiten machen kann. Dass ich halt das Feuerholz nicht in acht Portionen von A nach B transportiere, sondern auf einmal. Und auch einfach, dass ich irgendwie – sag ich mal – freudiger bin. Weil wenn ich krank bin, werde ich irgendwann miselsüchtig. Das mag niemand von uns, glaub ich. Einen Miselsüchtigen in seinen Reihen zu haben.“

„Wenn du so kleine Sachen im Garten machen kannst und auch freudiger bist. Wie ist diese Freude, die dann auftaucht?“

„Sie ist so zweiseitig. Also auf der einen Seite gibt es dann eine Freude, die eher so (zeichnet eine wellige Linie in der Mitte), vielleicht eher so ähnlich wie kleine Wasserwellen, wo sich das Wasser noch nicht überschlägt. Dass es eher so Wellen macht, die so dahinzwitschern. Und was anderes ist – das stellt sich nach einer Weile erst ein, wenn es eine Weile gut geht – das ist dann so eine Untergrund-Bewegung, so eine Strömung oder so (Handbewegung unterhalb Bild). Unterwasserwellen, die viel langsamer sind. Aber auch so, wo du merkst, die tragen dich jetzt auch gut durchs Leben.“

„Magst du mir dieses Beides nochmal beschreiben. Dieses da oben und dieses da unten (ahmt Bewegungen mit beiden Händen nach)?“

„Das eine ist für die Augen bestimmt und das andere fürs Herz bestimmt… Herz trifft es nicht, stimmt überhaupt nicht. Das eine ist für die Augen und das andere ist für den Körper. Die Augen können das Zwitschernde sehen (Hand macht zwitschernde Bewegung) und der Körper spürt dann das darunter liegende (Hand macht die tiefe Wellenbewegung).“

Mit der „Freude“ kommt Bewegung in den Klienten. Die Gestik unterstreicht die beiden Bilder und wird vom Therapeuten übernommen. Tilman Rentel bringt gerne mal Aspekte des „somatic experiencing“, einer Therapieform, die vor allem mit Körperwahrnehmungen arbeitet, in die Idiolektik ein und fragt weiter:

„Was passiert mit dem Körper, wenn er das darunter liegende spürt (ahmt tiefe Wellenbewegung nach)?“

„Er wird sehr, sehr, sehr durchlässig (bewegt sanft seinen Oberkörper)… man kann auch gut weinen oder ich kann dann gut weinen, aber es ist so eine unglaubliche Entspannung, weil es ist so der Zustand: Es gibt einfach nichts zu tun, was jetzt getan werden muss.“

„Und die Augen, wenn die das Zwitschern sehen, was geschieht dann (ahmt Zwitschern nach)?“

„Das ist eher etwas, was sich eher im Gesicht abspielt. Dann lächle ich, dann kann ich lachen, einfach fröhlich sein. Es ist vielleicht so ein bisschen der Unterschied. Fröhlichkeit ist so was Schnelles und Glück ist etwas Langsames. Das ist das Bild, das ich jetzt habe, jedenfalls.“

Jetzt ist ein Bild da – Fröhlichkeit und Glück. Und sie sind im Körper verortet worden. Um nun das Bild weiter zu explorieren wird weiter nachgefragt. Oft ist es hilfreich, nach der Herkunft von Ressourcen zu fragen, wie jetzt auch hier:

„Und diese Wellen von oben, das Zwitschern, und diese langsamen Wellen. Wo könnten diese Wellen herkommen?“

„Zwitscherwellen werden hervorgerufen durch Wind, durch Steine, die reinfallen, durch Enten, die landen oder starten, oder auch mal, wenn ein Fisch glaubt, er müsse da jetzt einen … fangen oder so. Und die unteren… schwer zu sagen….“

„Was könnte es sein? Wir wissen es ja nicht.“

„Vielleicht ist das wie ein Atem von einem Riesentier, das einfach so langsam ein- und ausatmet, dass du gar nicht merkst, dass das ein Atem ist, weil so viel Masse bewegt ist dadurch, so dass ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass das eine Atembewegung ist.“

„Wie könnte so ein Tier ausschauen, das so eine Atembewegung hat?“

„Also ich stell mir da so ein – was für ein Tier hat so einen Atem? Ich stelle mir so einen riesengroßen Wolf oder so vor. Wobei ich mich jetzt natürlich sofort frage, wie kann ein Wolf unter Wasser atmen, aber das ist mir egal.“

„Mir auch.“

An dieser Stelle macht sich der Klient selbst auf eine Unstimmigkeit aufmerksam – Wölfe können nicht unter Wasser atmen. Aber dieses Bild hat mit der herkömmlichen Realität nichts zu tun, das ist ihm wohl bewusst und er quittiert diesen Umstand mit dem „aber das ist mir egal„, was der Therapeut bestätigt: „Mir auch„, sodass der Klient seinen Gedankenfluss ungestört wieder aufnehmen kann.

„Vielleicht ist es auch gar kein Tier. Vielleicht ist es irgendwie – Wesen ist glaube ich besser. Weil dann lande ich bei Schlotvulkanen und ähnlichem. Also beim Wesen Erde und dem, was sich da so anbietet. Und dann fällt es mir schon wieder leichter.“

„Magst du dazu noch was sagen?“

„Ich muss gerade an einen Disney-Film denken, den wir mal mit unseren Töchtern angeschaut haben. Der heißt Vaiana – so ein hawaiianisches Märchen letztlich – und da ist eine Göttin, die legt sich ins Meer auf die Seite und wird eine Insel. Irgend sowas ist es. Irgendwas, von dem du nicht merkst, dass das ein Wesen ist, weil es sich so selbstverständlich einfügt in die Landschaft. Und trotzdem ist da was, was ganz gewaltig lebt. Und … durch diese langsamen Wellen können wir Anteil haben an dieser fast zeitlosen Welt.“

„Darf ich dich mit diesem Wesen sein lassen?“

„Ja, können wir gerne machen.“

Gesprächsmitschnitt

Der Klient hat ein weiteres Bild eingebracht, um diese „langsamen Wellen“ zu beschreiben. Es wäre natürlich auch reizvoll gewesen, fortzufahren, aber der Zeitpunkt, das Gespräch an dieser Stelle enden zu lassen, war sicherlich eine gute Entscheidung. Bei beiden Personen war eine starke Berührtheit spürbar, und die Gefahr ist groß, dass durch das Hinzufügen weiterer Informationen und Ideen die Wirkkraft des bereits Entstandenen geschmälert wird.

Denn neue Bilder und Ideen brauchen Zeit, um integriert zu werden. Daher ist, sobald eine neue, kleine Erkenntnis formuliert oder ein neues Bild beschrieben wurde, es immer eine gute Möglichkeit innezuhalten und sich zu fragen „braucht es jetzt wirklich noch mehr“?

Bild von David Mark auf Pixabay

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