Übungsgruppen-Gedanken: Rollenklärung „ZuhörerInnen“
Nachdem ich ja im letzten Beitrag paar Gedanken zu den Rollen „ErzählerIn“ und „FragestellerIn“ zu Papier (im übertragenen Sinne – wie lautet das Pendant zur digitalen Welt? Zu Byte bringen?) gebracht habe, möchte ich mich jetzt den übrigen TeilnehmerInnen widmen: Den ZuhörerInnen.
Dass die Gespräche nicht durch Zwischendurchfragen oder geflüsterte Unterhaltungen mit den Sitznachbarn gestört werden, ist ein Gebot der Höflichkeit, und es ist sehr selten, dass ich daran erinnern muss.
Wenn es keine besonderen Aufgaben gibt (manchmal gebe ich paar Anregungen mit) lade ich dazu ein, einfach zuzuhören, und verweise auf die Möglichkeit, im Anschluss des Gesprächs Fragen dazu zu stellen.
„Ihr alle anderen könnt einfach zuhören und genießen. Vielleicht macht ihr Euch Notizen, denn nach dem Gespräch könnt Ihr Eure Fragen dazu stellen oder Beobachtungen mitteilen. Auf welche Weise das geschieht, sage ich Euch dann, wenn es soweit ist – da lege ich Wert auf gewisse Umgangsformen, aber davon später mehr.“
Mir ist wichtig, dass das Gespräch selbst ungestört durch spontane Einwürfe oder Fragen der ZuhörerInnen stattfinden kann. Bei längeren Gesprächen kann es zwar vorkommen, dass wir (die FragerIn und ich als Coach) Vorschläge der Gruppe einholen, was die nächste Frage angeht, aber das ist eher die Ausnahme.
Und ganz allgemein erinnere ich auch daran, dass das hier und jetzt Gesprochene in diesem Kreis bleibt, es fällt sozusagen unter die nichtärztliche Schweigepflicht.
Am Anfang beschließen wir auch gemeinsam, wie viel Zeit wir für ein Gespräch anberaumen. In den Übungsgruppen sind das meist so zwischen 10 und 20 Minuten. Ich denke, das ist für alle gut zu wissen.
Wie bereits oben angedeutet, mache ich manchmal Vorschläge, worauf die Zuhörenden besonders achten können, z.B.
„Achtet mal vor allem auf das Tempo des Gespräches und auf die Pausen. Was geschieht, wenn sich da was ändert?“
Das Tempo eines Gesprächs liefert oft Hinweise, „wo“ wir uns im Gespräch gerade befinden. Da ist eine solche Aufgabe eine nette Übungsgelegenheit.
„Es gibt ja immer wieder Worte, die sozusagen aufleuchten, so Lichtpunkte, die Euch besonders auffallen. Macht Euch mal den Spaß und schreibt Euch einige davon auf.“
Im Anschluss an das Gespräch schauen wir uns dann diese Worte an und überlegen, was wohl das Besondere an diesen Worten sein könnte. Der Klang? Stößt es eigene Erinnerungen an?
„Versucht mal, vor allem auf die Gestik zu achten, wann diese lebendig oder eher verhalten auf euch wirkt. Wann lädt die Gestik Euch dazu ein, sie in eine Frage zu verpacken? Und wie würdet ihr das machen?“
Es ist immer wieder interessant, wie stark wir Gesten sofort mit Interpretationen verbinden. Eine Bewegung für sich zu beschreiben ist gar nicht so einfach.
Nach den Gesprächen gibt es ja immer eine Runde, in der wir über das Gespräch reflektieren. Natürlich ist es ja so, dass wir Hypothesen, also Annahmen über die erzählende Person bilden. Das lässt sich ja nicht vermeiden, wir ticken halt so. Und diese Runden können wir nutzen, uns auch über unsere Hypothesen auszutauschen.
Dieses Äußern von Hypothesen, v.a. nach einem vielleicht berührendem Gespräch, braucht einen sicheren Rahmen. Auf den werde ich im nächsten Teil dieser Miniserie zu schreiben kommen.
Aber wenn dieser Rahmen gegeben ist und die erzählende Person uns Rückmeldung geben kann, wieweit diese Hypothesen aus ihrer Sicht zutreffen oder eben nicht: wow, wie viel wir da doch lernen können über unsere Wahrnehmung und wie sie geprägt ist durch unsere eigene Geschichte und Erfahrungen.
Das immer mal vor Augen geführt zu bekommen kann sehr heilsam sein.
Finde ich.