Idiolektik in privaten Gesprächen

Idiolektik in privaten Gesprächen

In einer der letzten Übungsrunden war eine freundliche Dame mit von der Partie, die das Thema Kommunikation eher aus privaten Gründen interessiert. Am Ende stellte sie die Frage in den Raum, wie sie denn diese „Technik“ im privaten Kontext anwenden könne.

Bild von Viola ‚ auf Pixabay

Der Terminus „idiolektische Gesprächsführung“ ist ja zum Teil irreführend. Ein Gespräch ist geprägt von einem ständigen Wechseln der Rollen – mal erzählt die eine Person, die andere hört zu, stellt vielleicht die eine oder andere Frage, und dann tauschen sie die Rollen, und die Zuhörerin wird zur Erzählerin und so weiter.

Die klassische Idiolektik ist von diesem Aspekt her eher eine Interview- als eine Gesprächstechnik. Die Rollen sind klar verteilt: Du fragst, ich erzähle. Du gibst möglichst wenig Deiner Geschichten, Gedanken und Ideen dazu, damit ich ungestört Raum habe, um meine Geschichten, Gedanken und Ideen auszubreiten.

Im Alltag führe ich ja auch kaum „klassische“ idiolektische Gespräche. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich mich nicht der Technik bediene – ich rede dann gerne von „idiolektischen Sequenzen“ in einem Gespräch. Und diese erleichtern es mir ungemein, ins Gespräch zu kommen, Ärgernisse zu mindern, bei schweren Themen präsent zu bleiben, mein Gegenüber auch von unerwarteten Seiten kennenzulernen und so weiter.

Das erste Beispiel, an das ich mich bewusst erinnere, stammt zwar aus dem beruflichen Kontext, aber mag gut zeigen, was ich meine. Ich leitete damals Computerkurse, auch in Firmen. Der erste Tag, etwa zehn mir unbekannte Personen. Eine davon zeigte unverhohlen großen Ärger, was sich in bissigen Bemerkungen, Augenverdrehen und derartigen Signalen äußerte.

„Ich habe den Eindruck, Sie sind nicht zufrieden, hier zu sitzen…“ – „Nein, überhaupt nicht, ich bin ja nicht freiwillig hier her gekommen!“ – „Was hat Sie denn dazu gebracht, hierher zu kommen?“ – „Na was schon, eine Dienstanweisung.“ – „Ah, ok, dann kann ich Ihren Ärger verstehen… – Eine Dienstanweisung?“ – „Ja, von oben, die meinen halt, wir alle bräuchten das hier.“

Leider weiß ich nicht mehr, wie sich das Gespräch weiter entwickelt hat (Ist halt schon über 20 Jahre her). Ich glaube, ich fragte, was in diesen drei Tagen geschehen müsse, damit diese Person die Zeit nicht als verloren betrachten würde („verlorene Zeit“ war eine Phrase, die sie einbrachte). Auf alle Fälle erinnere ich mich daran, dass sich die Stimmung der Person erheblich verbesserte. Das ist auch der Grund, wieso mir dieses Erlebnis so stark in Erinnerung ist: an der Situation selbst konnte ich nichts ändern, die Person auch nicht, aber dennoch, durch Würdigen der Gefühle und konkretem Nachfragen, ergab sich hilfreiche Entspannung.

Ich finde es so bereichernd, in Alltagsgesprächen kleine idiolektische Sequenzen einzubauen. Eine Metapher aufgreifen, mir etwa genauer beschreiben lassen… das sind keine großartigen Dinge, aber führen doch zu lebendigeren Gesprächen und kleinen neuen Blickwinkeln.

Das konsequente Üben der Technik führt, so glaube ich, zum Verinnerlichen der zugrundeliegenden Haltung: nicht-wertendes Zuhören, keine Ratschläge, das Vertrauen darauf, dass das Gesagte Bedeutung hat. Nichts Bestimmtes erfahren wollen, offen sein für das, was gesagt werden mag. Präsent sein.

Und das tut, so meine Überzeugung, allen Gesprächen gut.

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