Wenn eine Frage nicht angenommen wird …
Es wird uns immer wieder passieren, dass eine technisch wunderbare Frage nicht also so wunderbar empfunden wird, wie wir uns das erhofft hatten. Das mag irritierend sein, oder uns verunsichern, aber ist im Grunde genommen eine wunderbare Lernmöglichkeit der Demut und der Flexibilität und schützt vor allzu großer Selbstsicherheit.
Das Wichtigste ist wohl, es nicht persönlich zu nehmen. Es ist selten, dass eine technisch korrekte Frage die hoffentlich gute Beziehung zu meinem Gegenüber nachhaltig stört. Man könnte es vielmehr als ein Zeichen dafür nehmen, dass ich in meiner Rolle als Gesprächsleiter einerseits und die Rahmenbedingungen andererseits ernst genommen werden: Niemand muss hier irgendeine Frage beantworten, wie hier beschrieben, und es ist meine Rolle als Gesprächsleiter, adäquat darauf zu reagieren. Schauen wir uns doch paar kleine Beispiele an, die ich in der letzten Zeit sammeln durfte..
Eine wunderbar offene Frage zum Gesprächseinstieg. Manchmal zu offen, und da können wir halt auf das zurückgreifen, was unmittelbar davor geschehen ist, oder etwas aufgreifen, das sich vor unserer Nase befindet hier der Beginn eines Gespräches, das über Zoom geführt wurde:
„Und… Hast Du etwas, worüber Du erzählen möchtest?“
„Jetzt gerade interessanterweise gerade nichts, mir fällt gerade wirklich nichts ein.“
(lacht) „Ok, dann gucke ich mir einfach Dein Bild genauer an, und in Deinem Hintergrund habe ich eine Gitarre hängen, kannst Du mir zu der was sagen?“
Unsere Fragen sind ja Angebote an unser Gegenüber, Einladungen, mal diesen oder jenen Gedankenweg zu gehen. Manchmal kann es passieren, dass eine scheinbar leichtfüßige Frage die Gedanken meines Gegenüber in Bahnen lenkt, die aus welchen Gründen auch immer in diesem einen Hier und Jetzt nicht beschrieben werden wollen. Eine schöne Gelegenheit, unsere Kompetenz als flexible und respektsvolle Gesprächsleiter (nicht ich bestimme Thema und Richtung des Gesprächs) unter Beweis zu stellen.
„Und wenn Du da so im Wald gehst…?“
„Ja, das ist total toll, ich gehe barfuß, das ist so richtiger Waldboden, also so mit Wurzeln und so… Da muss man schon aufpassen, damit man nicht stolpert. Und rundum die Bäume, das ist schon toll.“
„Und was ist da noch so?“
„Naja, Tiere halt, Vögel, Eichhörnchen, Rehe, manchmal sehe ich auch Spuren von Wildschweinen. Die laufen halt auch so ihrer Wege, so wie ich.“
„Und wie kann ich mir Deinen Weg so vorstellen?“
(längeres Schweigen) „Das möchte ich nicht erzählen.“
(kurze Pause) „Ok. Und wie ist das mit den Wegen der Tiere?“
Ev. wäre es besser gewesen, noch einen weiteren Schritt zurückzugehen, ev. zum Waldboden, der ja eine sehr lebendige, sinnliche Erinnerung zu sein schien. Aber das war mir justament nicht eingefallen, und über die Wege der Tiere konnte mein Gegenüber dann wieder sehr gut plaudern.
Gerne fragen wir ja auch nach Beispielen, wo jemand dies oder jenes noch gesehen hat oder von wo er dies oder jenes noch kennt. Und manchmal kommt da nichts zurück. Dann heißt es ev. einen Schritt zurückgehen und ohne großes Aufheben eine neue Frage zu stellen:
„Wenn man seine Nase in einer schöne Hollerdolde steckt, hat man nachher eine gelbe Nase.“
„Was ist das für ein Gelb?“
„Ein zartes Gelb, kein Zitronengelb… eher ein zarter Gelbton“
„Und kennst Du noch was anderes, das einen so zarten Gelbton hat?“
„Hmm… da fällt mir überhaupt nichts ein.“
„ok… und was ist das Gute daran, sein Nase in eine Hollerstaude zu stecken?“
Und dann kann es auch sein, dass meine Frage lediglich Verwirrung auslöst oder schlicht nicht verstanden wird. Ich bemühe mich dann eher, eine neue Frage zu finden, anstelle meine ursprüngliche Frage zu erklären oder zu begründen. Manchmal gerate ich mit Fragen die ich an sich besonders mag, in Situationen, wo diese überhaupt nicht „funktionieren“ wie ich das erhoffte. So z.B. wenn ich ein Element einer Metapher aufgreife:
„Das ist dann so wie ein Knäuel in meinem Kopf, so voller Gedanken oder so.“
„Und wie schaut dieses Knäuel aus?“
„Ähh… wie meinst Du das?“
„Ist nicht so wichtig. Aber sag, was geht Dir gerade im Kopf herum?“
Technisch korrekt, ein Bild aufgreifend… wunderbar. Aber in diesem Hier und Jetzt einfach zu weit hergeholt oder sonstwie unpassend. Da frage ich dann gerne mal, was jetzt gerade da ist, einfach um eine gemeinsame Orientierung zu ermöglichen.
Mittlerweile empfinde ich derartige Situationen eher als beruhigend als irritierend. Sie sind ein schönes Zeichen dafür, dass meine Gegenüber sich frei und sicher genug fühlt, gut auf sich zu schauen. Und das macht alles irgendwie leichter. Finde ich halt.