caffe macchiato, lago de maggiore und Rosen
Sollte ich eine Liste von Menschen erstellen, die mich in meinem „Jetzt-hier-in-der-Welt-sein“ maßgeblich und nachhaltig geprägt haben, so steht Hans Hermann Ehrat ganz weit oben. Er liebte Wien und Idiolektik, und diese Kombination hat ihn über lange Jahre regelmäßig nach Wien reisen lassen. Seit geschätzt 1996 war ich über lange Zeit regelmäßiger Teilnehmer dieser Wochenendseminare. Was als das Üben von Technik begann, ging im Laufe der Jahre über in eine Art innerer Haltung dem Leben gegenüber, die ich als bereichernd und bestärkend empfinde. Gestern erhielt ich die Nachricht, dass Hans Hermann Ehrat am 15. Juli 2023 im 86. Lebensjahr verstorben ist.
Ich bin traurig. Und beglückt zugleich. Irgendwann in den ersten Jahren hatten einige TeilnehmerInnen hier in Wien den Spruch vom „kleinen Hans Hermann im Ohr“ geprägt. Denn in unseren Peergroups kam oft die Frage „was würde Hans Hermann wohl…“ auf, und irgendwann wurde daraus ein „Der kleine Hans Hermann in meinem Ohr würde wohl…“, das uns längere Zeit begleitete.
In jenen Gesprächen, in denen er selbst erzählte, ging es oft um Rosen, was oft für Heiterkeit sorgte – „Ah, da sind sie ja wieder!“ – aber es wurde uns niemals zu viel. Die Auswahl der Rosenstöcke, die Arrangements im Garten, die Pflege, die Freude an den Blüten und dem Duft.
Gingen wir essen, so bestellte er sich anschließend, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, immer einen „caffe macchiato“, und er schien diese Wortkombination jedes Mal irgendwie zu genießen. „caffe macchiato“… Ob er da an den lago de maggiore dachte, von dem er auch immer wieder mal erzählte? Italien? Oder an Siracusa? Meine Frau meinte, dies sei ein „Seelenort“ von ihm gewesen.
Anfangs fuhr er stets mit dem eigenen Auto von der Schweiz nach Wien, später nahm er den Flieger, was ihm anfangs nicht so recht schmecken wollte. Das Alter begann seien Tribut zu fordern. Seine Seminare liefen immer gleich ab – bisserl Erklärung, viel Üben, mit langen Gesprächen und ausführlichen Reflexionen darüber. Stets im Plenum, ich habe nie erlebt, dass er Kleingruppen gebildet hätte. Als ich ihn einmal darauf ansprach sagte er etwas in der Art: er habe Sorge, dass in diesen Kleingruppen Dinge gesagt oder erlebt werden, die entweder nicht idiolektisch oder aber verletzend sein könnten. Er sah sich stark in der Verantwortung in seiner Rolle als Vermittler der idiolektischen Technik und Haltung.
Da tauchen noch weitere Bilder und Gesprächsfetzen auf… Aber das wäre wohl zu viel, es ist Zeit, zu einem Schluss von dieser kleinen Gedankenreise zu kommen. Ich merke, es hat gut getan, das hier zu schreiben.
Seufz… das letzte Mal traf ich ihn in Wien, bei einem Seminar im per Vitam. Dafür bin ich dankbar, dass ich somit eine relativ frische Erinnerung an ihn habe. Gibt es da nicht einen Bibelspruch der Art „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“? Ich hoffe, dass das auch für Hans Hermann gilt – dass sein Geist, sein Lachen, seine Zuversicht uns irgendwie so im Hintergrund leise begleiten.
Das wäre schön!