Gesprächsmitschnitt „Lebendig sein“

Gesprächsmitschnitt „Lebendig sein“

Hier mal wieder das Transkript eines Gespräches aus einem Zoom-Übungsabend zum Thema „Was ist Leben“. Wir sammelten Einstiegsfragen und legten los. Das hier transkribierte Gespräch dauerte im Original rund 17 Minuten. Um die Lesbarkeit zu verbessern, wurde der Text um ca. 1/3 gestrafft, indem Wiederholungen und manche Passagen gestrichen wurden. Letztere werden durch ein (…) angezeigt. Grammatikalische Ungenauigkeiten wurden teilweise beibehalten. Ich habe den Text unkommentiert gelassen – nur ganz zu Beginn sind paar Bemerkungen notiert.

  • Zu Beginn sind die Antworten kurz – davon brauchen wir uns nicht abschrecken zu lassen. Der Gesprächspartner brauchte halt Zeit, um „in Fahrt“ zu kommen.
  • Das Paralogische: wir folgen keinem roten Faden, sondern greifen Wörter auf, die uns günstig erscheinen, und lassen uns überraschen, wohin sie uns führen. Wir können unbekümmert von Bild zu Bild springen und uns darauf verlassen, dass alles Gesagte Bedeutung hat in diesem Hier und Jetzt.
  • Das respektvolle „So sein lassen“: An einer Stelle kann eine Frage nicht beantwortet werden (10) – es wird einfach entspannt eine andere Frage gesucht. Das Beschreiben lassen eines Bildes, einer Metapher, ist eine beliebte Technik in der Idiolektik. Nicht immer wird dieses Angebot angenommen – da heißt es dann, unverzagt eine neue Frage zu suchen 🙂
  • An einer anderen Stelle scheint die Antwort in keinem Zusammenhang zur Frage zu stehen (18). Dies wird einfach so akzeptiert, es gibt kein Nachhaken. keine Korrektur. Ev. hat der Erzähler „Dazwischen“ anstelle von „Erwischen“ verstanden? Wir wissen es nicht,
  • Manche Fragen greifen keine Schlüsselworte auf, sondern laden ein, einen Faden weiterzuspinnen: „Mach mal ein Beispiel“, oder „Wie geht das“?“ (14, 17, 19).

1. „Wann fühlst Du Dich lebendig?“

„Wenn ich mich selber gut spüre.“

2. „Mhm… und wie geht das? Wann spürst Du Dich gut?“

„Ahmm… Wenn ich in einer heißen Badewanne liege… Wenn ich mich mal wieder über das Tanzen getraut habe… Wenn ich mit den Hunden knuddle… Ja, dann fühle ich mich ziemlich lebendig.“

3. „Das zweite, was Du gesagt hast – war das was mit Tanzen? Ich hab das akustisch nicht verstanden.“

„Wenn ich mich mal wieder über das Tanzen getraut habe…“

4. „Hmmm… und wenn Du Dich rüber getraut hast, wie sieht das dann aus?“

„Wenn alles gut geht, ist das dann nachher ein gutes Gefühl, ja.“

5. „Und wie kann ich mir dein Tanzen vorstellen?“

„Naja, ich vermeide das Wort „Tanzen“, weil mit „Tanzen!“ Bilder im Kopf habe, die nichts mit meinem Körper zu tun haben. Wenn ich an „Tanz“ denke, denke ich an schlanke Gestalten, und ich bin nicht schlank, die sich elegant sehr beweglich bewegen, und ich bin weder sehr beweglich noch sehr elegant. Und deswegen bevorzuge ich den Ausdruck „mich zur Musik bewegen“, weil das macht mir ein bisserl weniger Stress. (…) Also ich brauche ein Weile, um Hemmschwellen abzubauen, und da ist es günstig, wenn es eine angeleitete Tanzgruppe ist, wo eine Person, die den Abend leitet, Impulse gibt, denen ich auch gut nachkommen kann.“

6. „Mhm… Was wäre denn so ein Impuls?“

„Meine immerwährende Sorge beim freien Tanzen ist, wenn ich mit jemandem in Kontakt gehen möchte, dass alle mich nicht wollen. Das ist ein uraltes Kindheitsthema bei mir, immer schon gewesen. Wenn ich so in freien Gruppen bin, manifestiert sich diese Sorge ganz massiv. (…) Ich bin als Kind immer als letzter ausgewählt worden, wenn es irgendwo darum ging, Gruppen zu bilden oder so, das hat sich anscheinend irgendwie festgesetzt. Und wenn da aber ein Tanzpädagogin ist (…), die dann sagt, bewegt Euch mal zur Musik, sucht mal Augenkontakt, und dann, wenn Ihr Augenkontakt habt, dann lächelt mal diese Person einfach an. Da kann nichts schiefgehen, da lächle ich halt, und dann, so langsam komme ich dann in diese Gruppe hinein. Und dann kann man auch schauen, lasst mal die Hände Euch durch den Raum tanzen, vielleicht begegnet Euch da eine andere Hand, und dann tanzt die Hand ein bisschen was und dann geht ihr wieder auseinander. Also ich brauche solche Annäherungsschritte (…). Irgendwann ist es dann auch einmal soweit, (…), dass ich dann einfach von mir aus einfach auf Menschen zugehen kann und da in Kontakt gehe oder einfach für mich alleine bleibe und nicht gekränkt bin, wenn ich nicht in Kontakt komme, obwohl ich vielleicht gerne möchte.“

7. „Hmmm… Magst Du mir noch zu der Hand was sagen?“

„Ich hab vor langer, langer Zeit eine Tanzpädagogikausbildung gemacht, obwohl ich nie getanzt habe. Es wundert mich eigentlich bis heute, dass ich da reingegangen bin in diese Ausbildung… (…). Und einer der ersten Übungen, die mir es wirklich leicht gemacht haben, in Bewegung zu Musik zu kommen, ohne dass ich mir deppert vorkomme, war einfach die ganz simple Aufgabe „lasse dich von deiner Hand durch den Raum führen“. Und dann bin ich wirklich einfach meiner Hand hinterhergelaufen. Und das war so spannend. (…) Auf einmal ist die Hand nach oben gegangen, ich bin halt unter der Hand durch, und da kam auf einmal eine Drehung zustande. Und also diese Übung hab ich geliebt, und die hilft mir heute noch, um ins Tanzen zu kommen. Dass ich da eine Hand habe und der überlasse ich jetzt die Führung und folge der Hand (…)“

8. „Die Führung überlassen. Was fällt dir noch dazu ein?“

„(…) Ja, (da) mach ich halt Bewegungen und schau der Hand hinterher und irgendwann beginnt sich die Hand quasi zu verselbständigen. Da ist kein bewusstes Wollen mehr dahinter. Und das ist dann einfach ein sehr feines Gefühl, wenn ich den Eindruck habe, OK, jetzt, jetzt ist irgendwas auf Automatismus geschaltet und jetzt kann sich mal irgendjemand anderer austoben als … das da oben.“

9. „Du sagtest kein bewusstes Wollen. Woher kennst du das noch?“

„Ich wollte kurz sagen von idiolektischen Gesprächen, weil da ist es ja auch so, dass ein bisschen, wenn das Gespräch gut im Fluss ist, dann bist du einfach nur noch im Gespräch und möchtest oder willst auch nichts mehr. Es ist eher so ein Aspekt von sich treiben lassen, ja. Aber vielleicht… Treiben lassen? Ist zwiespältig ja, treiben lassen kann man sich in einem Fluss. Oder man kann auch sich in einem Fluss aktiv bewegen (…), ohne sich nur treiben zu lassen und trotzdem sich treiben lassen. Also ist ein bisschen schwer zu erklären jetzt, ja.“

10. „Magst du mir den Fluss beschreiben?“

„Welchen?“

11. „Von dem du jetzt gerade gesprochen hast.“

„Nee, kann ich gerade nicht.“

12. „OK.“

„Hab ich grad kein Bild dazu.“

13. „Mhm, das ist total in Ordnung… Ich würd kurz ein bisschen zurückrudern zu dem Moment, wo du beschrieben hast und gesagt hast „Es leicht gemacht“ (Anm.: 7). Was braucht es für dich, damit es leicht gemacht wird?“

„Glückliche Umstände.“

14. „Mach mal ein Beispiel!“

„(…) Es sind hier so viele Faktoren, die da eine Rolle spielen. (…) Das ist, wenn ich ausgeschlafen oder nicht; sind das Menschen, die ich kenne oder nicht. Gab es irgendetwas, wo ich den Eindruck habe, ah, da schaut mich jemand schief an, oder beobachtet mich? (…) Aber manchmal gibt es einfach so Momente, da ist es so ein bisschen, als hätte man Rückenwind. Weißt du, dann gehen die die Dinge, die sonst schwer sind. (…). Will sagen, dass Dinge, die dich sonst Mühe kosten, manchmal keine Mühe kosten, die gehen einfach. Aber Du brauchst auch schon auch Energie und du musst was tun, aber es ist geschmeidiger, einfach. Eben so ein bisschen wie mit Rückenwind Fahrradfahren, du musst schon treten, aber du merkst es geht einfach ein bisschen leichter, das ist einfach schön.“

15. „Mhm, jetzt habe ich ein Bild von dem Fahrrad. Vielleicht du auch, wenn du eines hast, würdest du mir bitte das Rad beschreiben, das Fahrrad?“

„Also … ich bin seit einem knappen Jahr stolzer Besitzer eines eBikes.“

16. „OK.“

„Mit dem eBike fahr ich tatsächlich Strecken die ich mit dem normalen Fahrrad niemals fahren würde weil ich total verschwitzt wäre. (…) Aber so dieses Rückenwind haben, das hat was! Ich hab einfach den Eindruck, es gibt Situationen, da gelingen manche Dinge. (…) Ich liebe das „Gelingen“ ja so, das hast du wahrscheinlich eh schon von mir mal gehört, dass wir eben Sachen gut machen können, und sie sind trotzdem nicht gut oder nicht gelungen, obwohl wir alles richtig gemacht haben. Manchmal machst du alles richtig und es wird nicht gut und manchmal machst du alles richtig und es wird super. Und ich hab so den Eindruck, da ist dann dieser kleine Aspekt des Rückenwindes dabei, das kleine Etwas, das zu einem richtigen Gelingen einfach beiträgt, auf man keinen bewussten Einfluss hast. (…) Manchmal gibt es Situationen, da fällt es leichter, dass etwas gelingt. Dann ist weniger Anstrengung, weniger Hemmungen und das ist einfach fein.“

17. „Magst du dazu noch was sagen?“

„Irgendwie kommt jetzt gerade ein Anspruch „Sanfter Wind bringt gelingen“, glaube ich, lautet das Originalzitat. Stammt aus „Großer Tiger und Christian“ glaube ich. Und sonst… es gibt ja so eine recht alte chinesische Strategemsammlung (…), eines lautet „mit sanfter Hand das Schaf fortführen“ . Und das beschreibt sozusagen, wie sagt man… die Gunst des Augenblicks nutzen. (…) Wenn Du diese Gunst erwischt, dann wird das Leben schön und entspannt und freudvoll und gelingt und dann gelingen Sachen, die sonst schwierig sind.“

18. „Und wie geht das Erwischen?“

„Dann… dazwischen muss man sich mehr anstrengen. Und einfach lernen, mit dem zufrieden zu sein, was man geschafft hat. Auch wenn es nicht gelungen ist.“

19. „Ja, und wie geht das?“

„Mal mehr, mal weniger gut (Lachen)“

20. „Wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich dann an dieser Stelle das Gespräch beenden und dich dazu einladen, noch was zu sagen, falls es noch was gibt, was du da lassen möchtest.“

„Ja, das passt.“

21. „Dankeschön!“

gekürztes Transkript eines per Zoom geführten Gespräches

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