Dass es einmal ein Spiel geben wird, das auf leichtfüßige Art idiolektische Ansatzpunkte erfahrbar machen kann – das hätte ich ja nicht gedacht. Umso mehr freut es mich, genau ein solches Spiel hier in aller Kürze vorstellen zu können. „Wer gut fragt, gewinnt“ ist ein von Daniel Bindernagel entwickeltes Spiel „für bessere Gespräche durch gute Fragen und aktives Zuhören“, wie es sozusagen als Untertitel lautet.
Was sofort auffällt, ist die hochwertige Verarbeitung – alle Materialien sind kompakt in einer schön gestalteten Holzbox verstaut, die Karten fühlen sich stabil und angenehm an. Die Anleitung ist kurz und knapp, sodass man nach dem Auspacken sofort loslegen kann.
Das Spiel ist für 2 bis 10 Personen ausgelegt – ich habe nur Erfahrungen mit Gruppen zwischen vier und sieben Personen sammeln können. Ich kann mir vorstellen, dass es bei 10 Personen anfangs eine Herausforderung ist, sich möglichst alle angebotenen Fragen zu merken.
Der Ablauf ist einfach: eine Person würfelt und legt damit fest, welche idiolektische Technik oder Haltung den Fragen zugrunde liegen wird: Schlüsselwort? Bilder? Zieloffentheit? Resonanz? Würdigung?
Anschließend zieht sie eine Karte mit einer Situation, einem Ausspruch, einem Sprichwort und liest den Test vor. Die übrigen MitspielerInnen formulieren nun Fragen und stellen diese. Die Person, die gewürfelt hat, kann sich nun ihre „Lieblingsfrage“ aussuchen und beantworten. Die MitspielerIn, deren Frage beantwortet wurde, erhält eine Blankokarte, und so geht es weiter reihum bis jede Person zumindest einmal gewürfelt und geantwortet hat.
Bislang spielte ich „Wer gut fragt, gewinnt“ nur mit Personen, die Idiolektik kennen und schätzen. Ich bin wirklich gespannt auf eine Spielrunde mit Menschen, die keinen Bezug zur Idiolektik haben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Menschen, die Freude an Kommunikation haben und offen für neue Wege sind, das Spiel als Bereicherung empfinden. Denn auf spielerische Art und Weise werden unsere bisherigen Kommunikationsmuster zwar nicht hinterfragt (das kann dann jede Person für sich selber machen), aber neue Ideen angeboten.
Was mir zudem gut gefällt, ist, dass es neben dem vom Gefühl her kompetitiven ersten Teil einen zweiten Teil gibt, bei dem es dezidiert um ein Miteinander geht. Aus den Übungsgruppen kenne ich das verzagt machende Gefühl, eine Frage formuliert zu haben, die dann nicht so angenommen wird, wie es gedacht war. In dieser ersten Runde stellte sich manchmal ein ähnliches Gefühl ein, wenn die Fragen einer Person viel seltener als die der anderen ausgewählt wurde. Verzagtheit bis Gekränktheit kamen da gelegentlich zu Tage.
Im zweiten Teil dann geht es darum, rund um die Inhalte der Karten gemeinsam eine Geschichte zu spinnen. Anders als im ersten Teil gibt es keine festgelegte Reihenfolge.
In der kurzen Beschreibung werden verschiedene Spielvarianten angeboten, was dazu einlädt, weitere, der Situation und der Gruppe angemessene Variationen zu finden.
Tja, was soll ich sagen… mit gefällt´s jedenfalls!
In der Idiolektik sind wir bestrebt, immer wieder ressourcenvolle Inhalte aufzugreifen. „Aber man muss doch auch über die Probleme reden können!“, wird dem dann oft entgegengehalten. Grund genug, einige Gedanken zu diesem Thema niederzuschreiben. Dabei kommen wir nicht umhin, auch das Thema „Erinnerung“ zu streifen, wobei wir der Komplexität des Themas nicht gerecht werden können und es bei einem Anstreifen bleiben wird.
Meine Erinnerungen sind stets als ganze Netzwerke gespeichert, deren einzelne Fäden mir nicht bewusst sind. In der Neurowissenshaft gibt es den netten Satz „Neurons that fire together, wire together“, auch als „Hebbsches Gesetz“ bekannt: Neuronen, die gleichzeitig aktiviert werden, vernetzen sich miteinander. Und diese Vernetzung sorgt dafür, dass beim Aktivieren eines Neurons auch sämtliche damit vernetzten Neuronen aktiviert werden.
Wieso ist dies wichtig, bzw. was hat das mit dem Thema zu tun? Nehmen wir mal ein sehr vereinfachtes Beispiel: Ich bin auf dem Weg zum Bäcker. Ich rieche schon den vertrauten Duft frischen Brotes, es nieselt leicht. Vor mit geht eine Mann mit bunten Gummistiefeln. Kurv bevor ich den Laden betreten kann, geht ein Kunde aus dem Geschäft, ich höre die altmodische Ladentür bimmeln. Und in dem Moment fährt ein Auto aus der neben dem Bäcker liegenden Hausausfahrt und rammt mich. Es ist nicht Wildes passiert, eine Verstauchung, ein blauer Fleck, aber der Schreck sitzt tief.
Vor allem Erlebnisse, die unsere soziale oder physische Integrität bedrohen, werden mit einer enormen Erinnerungsdichte gespeichert (dies mag der Grund sein, weswegen viele Menschen derartige Ereignisse als wie in Zeitlupe ablaufend beschreiben). Die Amygdala sorgt dafür, dass diese Situation mit all ihren Details ohne Umwege im episodischen Gedächtnis landet. Dieses „ohne Umweg“ kann aber auch dazu führen, dass wir keine bewusst reproduzierbare Erinnerung an diese Ereignisfolge bilden können.
Nun ist es so, dass eine Instanz (der anteriore cinguläre Cortex) in uns beständig dabei ist, ständig das Umfeld zu beobachten: einerseits sozusagen das innere Umfeld wie Blutdruck, Herzschlag etc. und andererseits die äußere Umwelt. Diese Instanz ist spezialisiert darauf, als bedrohlich gespeicherte Elemente zu identifizieren, um schnellstmöglich reagieren zu können. Da wird nicht langwierig analysiert oder nachgefragt, es geht darum, die Gefahr rasch zu erkennen und rasch zu reagieren. Entdeckt diese Instanz nun auch nur zwei Elemente, die zu einem derartigen Erinnerungsnetzwerk gehören, wird die Amygdala informiert und die aus Sicht dieser vorsprachlichen Instanz angemessenen Reaktionen gestartet. Und zwar ohne Rücksprache mit unserem Bewusstsein.
Dies könnte in unserem fiktiven Beispiel dazu führen, dass Nieselregen und das gleichzeitige Geräusch einer Türglocke zu einer scheinbar unverhältnismäßigen Reaktionen führen. Adrenalin wird ausgeschüttet, der Herzschlag ist beschleunigt, die Brustmuskulatur wird angespannt… Und ich könnte beginnen, mir ernsthaft Sorgen über diese Zustände zu machen, denn deren Ursache entzieht sich ja meinem Bewusstsein.
Derartige unbewusste Mechanismen können eine echte Einschränkung der Lebensqualität darstellen – diese Körperreaktionen überfallen mich ja wie aus heiterem Himmel. Und so habe ich das Gefühl, unerklärliche Angstattacken zu haben, und die Frage drängt sich auf, was denn mit mir nicht stimmt.
Wenn in einer Gesprächssequenz die Rede auf ein Erlebnis kommt, in dem sich mein Gegenüber als stark, kompetent und selbstwirksam erlebt hat, und dann aus dieser Grundhaltung auf die problematisch Situation (deren Ursachen oder Auslöser ja nicht bekannt sein müssen) geschaut wird, passiert etwas Spannendes: die eben generierte Erinnerung der Stärke, der Eigenwirksamkeit hängt sich quasi an das Netzwerk, das die problematische Situation präsentiert. Denken wir an das oben genannte Hebbsche Gesetz: wird in mir nun wieder durch Nieselregen und bunte Gummistiefel diese seltsame Reaktion ausgelöst, werden nun parallel dazu auch die Erinnerungen an Stärke und Eigenwirksamkeit aktiviert, was eine veränderte Wahrnehmung der Situation zu Folge haben kann. Und zwar ohne, dass ich nun „verstehen“ würde, was denn die Ursachen wären.
Dies ist der Start einer Reihe Interviews mit verschiedenen Personen, die lediglich gemeinsam haben, dass sie in dieser und jener Art Idiolektik anwenden. Die Interviews fokussieren auf die Anwendungsbereiche und -erfahrungen, nicht auf die Technik.
Das Interview wurde per Zoom geführt. Zur leichteren Lesbarkeit wurde der Text überarbeitet, einige Sequenzen umgestellt und gekürzt.
Hallo Barbara.
Hallo Rainer.
Du bist ja schon seit vielen Jahren Idiolektik Dozentin… in welchen Bereichen Deines Lebens wendest Du Idiolektik überall an?
Mein erster Gedanke auf Deine Frage: Ich als Mutter mit meinen Söhnen, als sie kleiner waren… Dieses Beschreibende, das wir aus der Idiolektik kennen, war glaube ich ganz wertvoll im Umgang mit den Kindern so von vier Jahren aufwärts, um zu verstehen, was sie meinen; da ist ganz viel gute Kommunikation entstanden.
Beide Söhne sind ja nicht so die Kommunikations-Männer. Wenn ich auf dem Weg von der Schule gefragt habe, wie es heute in der Schule war, dann kam oft einfach ein „gut“ zurück. Und wenn dann auf meine idiolektische Frage „wie kann ich mir gut vorstellen?“ wieder nur ein „gut“ zurückkam – dann konnte ich das einfach gut sein lassen, da hat mir diese idiolektische Haltung geholfen: Sie so zu nehmen mit dem, was sie jetzt gerade erzählen oder eben nicht erzählen wollen.
Also so im Privaten mit den Kindern glaube ich, dass dadurch viel entstanden ist. Dass wir uns wahrnehmen, einender begegnen und das artikulieren, was wir sehen und wahrnehmen. „Die eigene Wahrnehmung für wahr zu nehmen“, wie Hans Hermann immer wieder gesagt hat.
Diese Haltung, die wir in der Idiolektik haben, ist ja gar nicht aus dem Leben wegzudenken, die läuft einfach immer mit.
Und wie ist das außerhalb dieses Privaten?
Ich unterrichte immer wieder Menschen aus der Pflege. Der Frau, die das initiiert hat, war es wichtig, sehr viel Augenmerk auf dieses „Wahrnehmen“ zu legen. Denn in der Pflege sind die Menschen so oft im Tun und im Denken gefangen, dass dieses Wahrnehmen oft zu kurz kommt, obwohl es so wichtig wäre.
Bekommst Du da eigentlich Rückmeldungen von diesen Menschen?
Ganz selten. Aber die Stationsleitung kommt dann zur Nachbesprechung: Was haben die Teilnehmerinnen profitiert? Und da ist immer wieder die Rückmeldung gekommen, dass sich durch Idiolektik etwas auf der Station verändert hat.
Oh, das ist ja spannend!
Die Stationsleitung merkt, dass da ein anderes Klima ist, dass da was anderes stattfinden kann. Einmal hat mir eine Dame direkt eine Rückmeldung gegeben. Wir trafen uns auf der Straße, sie sprach mich an und hat gesagt, „Seit ich bei Ihnen im Kurs war, sagt mein Mann, endlich hörst du mir zu.“ Und dann denkst du dir „ja cool“.
Oder eine stillere Rückmeldung: Ich bin in den Kursraum gekommen und sehe eine Person, die mir irgendwie bekannt vorkam. Und dann hat sich herausgestellt, dass sie schon einmal im Kurs bei mir war, und noch einmal kommen wollte – sie hätte sich auch frei nehmen können, aber sie hat gesagt, dass sie noch einmal dabei sein mag.
Es ist eine befriedende, friedbringende, friedvolle Art des Umgangs miteinander. Ich glaube, man kann den Wind herausnehmen, wo es vielleicht spannungsgeladener werden könnte.
Und wie schaut es in Deiner Arbeit aus?
In meiner Arbeit mit meinen Klienten, die zum Strömen kommen, denke ich mir ganz oft: Das eine ist das Strömen, aber das andere ist auch die Art und Weise des Zuhörens… diese Präsenz, dieses wirklich eine Stunde lang ihnen den Raum offenhalten. Und nur bisschen nachfragen bei Wörtern, die sie verwendet, und dann geht es schon weiter.
Am Montag hat ein Herr zu mir gesagt „ich komme gern zum Strömen. Aber diesen Raum, den du zur Verfügung stellst, wo ich einfach alles erzählen kann, was mir am Herzen ist: das gibt es sonst nirgends.“. Das ist wahrscheinlich das Einzigartige an meiner Art Strömarbeit.
Du hast jetzt gesagt, dass dem einen Mann das aufgefallen ist, dass du da eine besondere Art des Zuhörens oder des Fragens oder der Präsenz hast. Bekommst du noch andere Rückmeldungen von anderen Leuten? Menschen, mit denen du arbeitest?
Da fällt jetzt noch eine andere Klientin ein, die schreibt mir immer an Weihnachten ein Kärtchen. Sie hat glaube ich schon vier oder fünf mal geschrieben, wie gut das einfach ist, wie ich zuhöre und wie ich da bin und welche Worte ich aufgreife.
Bei einer anderen Dame habe ich ganz oft so eine Trauer wahrgenommen, aber sie nie angesprochen. Es hat lange gebraucht, bis das nötige Vertrauen da war. Als sie dann erzählt hat, habe ich nachgefragt und sie in dem Prozess begleitet. Egal was da aufgetischt wird: es macht keine Angst, wenn man Idiolektik kennt, man muss nichts lösen. Man hat dieses Handwerkszeug, und es ist der Raum da.
Mhm, jetzt hast du ja schon eine Frage fast vorweg mitgenommen, die mir auch noch so auf der Zunge liegt. Was hat man selbst davon, dass man so einen idiolektischen Werkzeugkoffer hat, als Anwender sozusagen?
Das Herstellen von Beziehung ist so viel leichter, und die Compliance ist viel größer. Es hilft zu erfassen, wie die Person ist, der du da begegnest. Der Umgang mit Widerstand… Es hat nichts mit mir zu tun, sondern die andere Person kann jetzt gerade in dem Moment nicht. Ich respektiere das, und allein durch das Aufgreifen „Aha, jetzt wollen Sie gerade nicht über das sprechen“, wird schon wieder eine neue Tür geöffnet. Dieses Aufgreifen von dem, was da ist, von den Schlüsselwörtern und von dem Wahrgenommenen, macht Räume und Türen auf.
Gibt es noch etwas, das Du teilen magst?
Ich bin ja beim Jin Shin Jyutsu im Vorstand. Da ist gerade vieles im Umbruch, und es gehen viele Briefe durch den Äther. Da habe ich jetzt bisschen die Aufgabe gekriegt, diese Briefe immer durchzulesen. Ich sehe jeden Brief aus der Perspektive. „Wie kommt es jetzt an? Welches Wort wäre jetzt wohl idealer, damit es wohlwollend beim anderen ankommt?“. Denn so schriftliche Ding können ja oft Missverständnisse transportieren oder angriffig wirken oder den Eindruck des Nicht-Gesehen-Werdens hervorrufen. Und dann schick ich den Brief wieder zurück, und sie sind wirklich oft begeistert, wie fein dann nachgefragt werden kann und wie friedvoll das dann wird.
Habe ich das richtig verstanden? Das ist eine Form von Idiolektik im Schriftverkehr…?
Ja, ganz genau
Also Person A möchte einen Brief an B schreiben, aber ist nicht sicher und gibt Dir den Brief zum darüber schauen?
Genau. Es ist wirklich spannend, wie viel befriedender es dann wirkt. Ich merke, Frieden ist mir gerade wichtig… und ich glaube einfach, dass das auch wirklich etwas ganz Wertvolles in der Idiolektik ist. Ich habe das nicht gewusst, dass man das so auf das Verschriftliche anwenden kann. Als ich den ersten Brief bekam, dachte ich „uh, da könnte man noch ein bisserl feilen“, und es war dann eine super Reaktion danach.
Kam die „super Reaktion“ von der Person, die den Brief geschrieben oder von der, die ihn bekommen hat?
Das waren mehrere Personen, die sich dann gleich zum Reden getroffen haben, und es war dann sehr wohlwollend dort in diesem Rahmen.
Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen… Jetzt ist ja schon ganz viel gesagt worden. Über die Kinder, die Ausbildung und über dein Strömen mit deinen Klienten. Gibt es noch Irgendwas, von dem du sagst, „ah, das gehört aber einfach noch dazu!“?
Ich glaub, das war’s.
Danke schön fürs Teilen!
Bitte, danke dir!
Konder-Husinsky, Barbara
„Idiolektik ist für mich eine Kommunikationsform und mein Lebensverständnis. In offener und herzlicher Präsenz ist es mir dadurch möglich, Menschen zu begegnen – im professionellen Gespräch und im täglichen Miteinander.“
Tätigkeitsfeld: Seit 2009 selbständig in eigener Praxis. Jin Shin Jyutsu-Praktikerin. Referentin an der Akademie für Fortbildungen und Sonderausbildungen am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Kommunikationstrainerin. Leiterin eines Malortes nach Arno Stern. Heilmethode nach Dr. Eric Pearl. Begründerin der Firma Per Vitam. Vorstandsmitglied der GIG. Dozentin in Idiolektik seit 2013.
Qualifikationen: Dr. med., Weiterbildung in orthomolekularer Medizin und klassischer Homöopathie. Dipl. Malortleiterin nach Arno Stern. Lebens- und Sozialberaterin in Ausbildung. Zertifizierte Jin Shin Jyutsu-Praktikerin. Idiolektische Therapie (grad. IG).
Hier mal wieder das Transkript eines Gespräches aus einem Zoom-Übungsabend zum Thema „Was ist Leben“. Wir sammelten Einstiegsfragen und legten los. Das hier transkribierte Gespräch dauerte im Original rund 17 Minuten. Um die Lesbarkeit zu verbessern, wurde der Text um ca. 1/3 gestrafft, indem Wiederholungen und manche Passagen gestrichen wurden. Letztere werden durch ein (…) angezeigt. Grammatikalische Ungenauigkeiten wurden teilweise beibehalten. Ich habe den Text unkommentiert gelassen – nur ganz zu Beginn sind paar Bemerkungen notiert.
Zu Beginn sind die Antworten kurz – davon brauchen wir uns nicht abschrecken zu lassen. Der Gesprächspartner brauchte halt Zeit, um „in Fahrt“ zu kommen.
Das Paralogische: wir folgen keinem roten Faden, sondern greifen Wörter auf, die uns günstig erscheinen, und lassen uns überraschen, wohin sie uns führen. Wir können unbekümmert von Bild zu Bild springen und uns darauf verlassen, dass alles Gesagte Bedeutung hat in diesem Hier und Jetzt.
Das respektvolle „So sein lassen“: An einer Stelle kann eine Frage nicht beantwortet werden (10) – es wird einfach entspannt eine andere Frage gesucht. Das Beschreiben lassen eines Bildes, einer Metapher, ist eine beliebte Technik in der Idiolektik. Nicht immer wird dieses Angebot angenommen – da heißt es dann, unverzagt eine neue Frage zu suchen 🙂
An einer anderen Stelle scheint die Antwort in keinem Zusammenhang zur Frage zu stehen (18). Dies wird einfach so akzeptiert, es gibt kein Nachhaken. keine Korrektur. Ev. hat der Erzähler „Dazwischen“ anstelle von „Erwischen“ verstanden? Wir wissen es nicht,
Manche Fragen greifen keine Schlüsselworte auf, sondern laden ein, einen Faden weiterzuspinnen: „Mach mal ein Beispiel“, oder „Wie geht das“?“ (14, 17, 19).
1. „Wann fühlst Du Dich lebendig?“
„Wenn ich mich selber gut spüre.“
2. „Mhm… und wie geht das? Wann spürst Du Dich gut?“
„Ahmm… Wenn ich in einer heißen Badewanne liege… Wenn ich mich mal wieder über das Tanzen getraut habe… Wenn ich mit den Hunden knuddle… Ja, dann fühle ich mich ziemlich lebendig.“
3. „Das zweite, was Du gesagt hast – war das was mit Tanzen? Ich hab das akustisch nicht verstanden.“
„Wenn ich mich mal wieder über das Tanzen getraut habe…“
4. „Hmmm… und wenn Du Dich rüber getraut hast, wie sieht das dann aus?“
„Wenn alles gut geht, ist das dann nachher ein gutes Gefühl, ja.“
5. „Und wie kann ich mir dein Tanzen vorstellen?“
„Naja, ich vermeide das Wort „Tanzen“, weil mit „Tanzen!“ Bilder im Kopf habe, die nichts mit meinem Körper zu tun haben. Wenn ich an „Tanz“ denke, denke ich an schlanke Gestalten, und ich bin nicht schlank, die sich elegant sehr beweglich bewegen, und ich bin weder sehr beweglich noch sehr elegant. Und deswegen bevorzuge ich den Ausdruck „mich zur Musik bewegen“, weil das macht mir ein bisserl weniger Stress. (…) Also ich brauche ein Weile, um Hemmschwellen abzubauen, und da ist es günstig, wenn es eine angeleitete Tanzgruppe ist, wo eine Person, die den Abend leitet, Impulse gibt, denen ich auch gut nachkommen kann.“
6. „Mhm… Was wäre denn so ein Impuls?“
„Meine immerwährende Sorge beim freien Tanzen ist, wenn ich mit jemandem in Kontakt gehen möchte, dass alle mich nicht wollen. Das ist ein uraltes Kindheitsthema bei mir, immer schon gewesen. Wenn ich so in freien Gruppen bin, manifestiert sich diese Sorge ganz massiv. (…) Ich bin als Kind immer als letzter ausgewählt worden, wenn es irgendwo darum ging, Gruppen zu bilden oder so, das hat sich anscheinend irgendwie festgesetzt. Und wenn da aber ein Tanzpädagogin ist (…), die dann sagt, bewegt Euch mal zur Musik, sucht mal Augenkontakt, und dann, wenn Ihr Augenkontakt habt, dann lächelt mal diese Person einfach an. Da kann nichts schiefgehen, da lächle ich halt, und dann, so langsam komme ich dann in diese Gruppe hinein. Und dann kann man auch schauen, lasst mal die Hände Euch durch den Raum tanzen, vielleicht begegnet Euch da eine andere Hand, und dann tanzt die Hand ein bisschen was und dann geht ihr wieder auseinander. Also ich brauche solche Annäherungsschritte (…). Irgendwann ist es dann auch einmal soweit, (…), dass ich dann einfach von mir aus einfach auf Menschen zugehen kann und da in Kontakt gehe oder einfach für mich alleine bleibe und nicht gekränkt bin, wenn ich nicht in Kontakt komme, obwohl ich vielleicht gerne möchte.“
7. „Hmmm… Magst Du mir noch zu der Hand was sagen?“
„Ich hab vor langer, langer Zeit eine Tanzpädagogikausbildung gemacht, obwohl ich nie getanzt habe. Es wundert mich eigentlich bis heute, dass ich da reingegangen bin in diese Ausbildung… (…). Und einer der ersten Übungen, die mir es wirklich leicht gemacht haben, in Bewegung zu Musik zu kommen, ohne dass ich mir deppert vorkomme, war einfach die ganz simple Aufgabe „lasse dich von deiner Hand durch den Raum führen“. Und dann bin ich wirklich einfach meiner Hand hinterhergelaufen. Und das war so spannend. (…) Auf einmal ist die Hand nach oben gegangen, ich bin halt unter der Hand durch, und da kam auf einmal eine Drehung zustande. Und also diese Übung hab ich geliebt, und die hilft mir heute noch, um ins Tanzen zu kommen. Dass ich da eine Hand habe und der überlasse ich jetzt die Führung und folge der Hand (…)“
8. „Die Führung überlassen. Was fällt dir noch dazu ein?“
„(…) Ja, (da) mach ich halt Bewegungen und schau der Hand hinterher und irgendwann beginnt sich die Hand quasi zu verselbständigen. Da ist kein bewusstes Wollen mehr dahinter. Und das ist dann einfach ein sehr feines Gefühl, wenn ich den Eindruck habe, OK, jetzt, jetzt ist irgendwas auf Automatismus geschaltet und jetzt kann sich mal irgendjemand anderer austoben als … das da oben.“
9. „Du sagtest kein bewusstes Wollen. Woher kennst du das noch?“
„Ich wollte kurz sagen von idiolektischen Gesprächen, weil da ist es ja auch so, dass ein bisschen, wenn das Gespräch gut im Fluss ist, dann bist du einfach nur noch im Gespräch und möchtest oder willst auch nichts mehr. Es ist eher so ein Aspekt von sich treiben lassen, ja. Aber vielleicht… Treiben lassen? Ist zwiespältig ja, treiben lassen kann man sich in einem Fluss. Oder man kann auch sich in einem Fluss aktiv bewegen (…), ohne sich nur treiben zu lassen und trotzdem sich treiben lassen. Also ist ein bisschen schwer zu erklären jetzt, ja.“
10. „Magst du mir den Fluss beschreiben?“
„Welchen?“
11. „Von dem du jetzt gerade gesprochen hast.“
„Nee, kann ich gerade nicht.“
12. „OK.“
„Hab ich grad kein Bild dazu.“
13. „Mhm, das ist total in Ordnung… Ich würd kurz ein bisschen zurückrudern zu dem Moment, wo du beschrieben hast und gesagt hast „Es leicht gemacht“ (Anm.: 7). Was braucht es für dich, damit es leicht gemacht wird?“
„Glückliche Umstände.“
14. „Mach mal ein Beispiel!“
„(…) Es sind hier so viele Faktoren, die da eine Rolle spielen. (…) Das ist, wenn ich ausgeschlafen oder nicht; sind das Menschen, die ich kenne oder nicht. Gab es irgendetwas, wo ich den Eindruck habe, ah, da schaut mich jemand schief an, oder beobachtet mich? (…) Aber manchmal gibt es einfach so Momente, da ist es so ein bisschen, als hätte man Rückenwind. Weißt du, dann gehen die die Dinge, die sonst schwer sind. (…). Will sagen, dass Dinge, die dich sonst Mühe kosten, manchmal keine Mühe kosten, die gehen einfach. Aber Du brauchst auch schon auch Energie und du musst was tun, aber es ist geschmeidiger, einfach. Eben so ein bisschen wie mit Rückenwind Fahrradfahren, du musst schon treten, aber du merkst es geht einfach ein bisschen leichter, das ist einfach schön.“
15. „Mhm, jetzt habe ich ein Bild von dem Fahrrad. Vielleicht du auch, wenn du eines hast, würdest du mir bitte das Rad beschreiben, das Fahrrad?“
„Also … ich bin seit einem knappen Jahr stolzer Besitzer eines eBikes.“
16. „OK.“
„Mit dem eBike fahr ich tatsächlich Strecken die ich mit dem normalen Fahrrad niemals fahren würde weil ich total verschwitzt wäre. (…) Aber so dieses Rückenwind haben, das hat was! Ich hab einfach den Eindruck, es gibt Situationen, da gelingen manche Dinge. (…) Ich liebe das „Gelingen“ ja so, das hast du wahrscheinlich eh schon von mir mal gehört, dass wir eben Sachen gut machen können, und sie sind trotzdem nicht gut oder nicht gelungen, obwohl wir alles richtig gemacht haben. Manchmal machst du alles richtig und es wird nicht gut und manchmal machst du alles richtig und es wird super. Und ich hab so den Eindruck, da ist dann dieser kleine Aspekt des Rückenwindes dabei, das kleine Etwas, das zu einem richtigen Gelingen einfach beiträgt, auf man keinen bewussten Einfluss hast. (…) Manchmal gibt es Situationen, da fällt es leichter, dass etwas gelingt. Dann ist weniger Anstrengung, weniger Hemmungen und das ist einfach fein.“
17. „Magst du dazu noch was sagen?“
„Irgendwie kommt jetzt gerade ein Anspruch „Sanfter Wind bringt gelingen“, glaube ich, lautet das Originalzitat. Stammt aus „Großer Tiger und Christian“ glaube ich. Und sonst… es gibt ja so eine recht alte chinesische Strategemsammlung (…), eines lautet „mit sanfter Hand das Schaf fortführen“ . Und das beschreibt sozusagen, wie sagt man… die Gunst des Augenblicks nutzen. (…) Wenn Du diese Gunst erwischt, dann wird das Leben schön und entspannt und freudvoll und gelingt und dann gelingen Sachen, die sonst schwierig sind.“
18. „Und wie geht das Erwischen?“
„Dann… dazwischen muss man sich mehr anstrengen. Und einfach lernen, mit dem zufrieden zu sein, was man geschafft hat. Auch wenn es nicht gelungen ist.“
19. „Ja, und wie geht das?“
„Mal mehr, mal weniger gut (Lachen)“
20. „Wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich dann an dieser Stelle das Gespräch beenden und dich dazu einladen, noch was zu sagen, falls es noch was gibt, was du da lassen möchtest.“
„Ja, das passt.“
21. „Dankeschön!“
gekürztes Transkript eines per Zoom geführten Gespräches
Wie an anderen Stellen beschrieben, ist es ein Merkmal der Idiolektik, kurze, konkrete und offene Fragen zu stellen. So habe ich es gelernt, so gebe ich es wieder, wenn ich die Technik vermittle. Doch bei genauerer Beobachtung ertappe ich mich immer wieder dabei, das „kurz“ zu vernachlässigen. In Ergänzung zum vorherigen Beitrag Warum ich kurze Fragen so liebe fasse ich mal paar Gedanken sozusagen zur Gegenposition zusammen, die mir so einfallen. Angelehnt an diesen vorherigen Beitrag ist eine „kurze“ Frage die, die nur eine Phrase aus dem Angebot herausgreift.
So ganz nebenbei: ich freue mich über Rückmeldungen als Kommentar zu diesem Artikel! Wie Du einen Kommentar hinzufügen kannst? Einfach auf den Link „x Kommentare“ unterhalb der jeweiligen Artikelüberschrift klicken :-), in der anschließend angezeigten Maske Deinen Kommentar schreiben und senden.
Wenn ich ein Gespräch mit einem Spaziergang vergleiche, ohne festes Ziel die Gegend durchstreifend, kommt man doch immer wieder an Stellen, die zum Verweilen einladen. Man bleibt stehen, schnauft vielleicht ein, zwei Mal tief durch und lässt den Blick schweifen. Im Gespräch scheint es mir ähnlich zu sein – es gibt Sequenzen, die so ein Innehalten spüren lassen. Genauer gesagt: ich als Zuhörer habe die Hypothese, dass hier ein „guter“ Platz zum Verweilen ist. Und muss daher bereit sein, diese Hypothese sofort fallen zu lassen, wenn sie sich als falsch heraus stellt.
„Was geht Dir grad durch den Kopf?“
„Dass ich gerade ziemlich k.o. bin, müde. Ich habe viel gearbeitet die letzten Wochen, und das hat mir nicht gut getan.“
„Hmm… was tut Dir gut?“
„Naja, dass es jetzt vorbei ist, also so diese große Anstrengung, jetzt kann ich wieder runterschalten.“
„Runterschalten?“
„Ja, runterschalten. Das war schon ziemlich anstrengend, diese letzte Zeit… Viele Überstunden, dabei, also eigentlich habe ich ja meine Arbeitszeit reduziert. Aber es war wichtig, der Kunde war schon ziemlich sauer wegen verschiedener Verzögerungen, also hab ich mir halt eingebildet, da reinspringen zu müssen. (Pause, dann langsamer weiter) Jetzt habe ich guten Kontakt zum Kunden, es ist klar was zu tun ist… das ist gut. Da kann man Sachen umsetzen, jetzt, wo das klar ist. Ja, das ist gut… und tut auch gut irgendwie.“
„Was braucht es, damit etwas gut ist?“
„Naja, Kontakt halt und zu wissen… also sich geeinigt zu haben, was zu tun ist.“
„Und wenn Du Kontakt hast und ihr wisst was zu tun ist…?“
„Dann kann ich endlich mit der Umsetzung beginnen. Wir hatten schon zwei Anläufe gemacht, aber die Konzepte waren einfach Käse… Aber jetzt…“
„Und wenn Du weißt was zu tun ist und mit der Umsetzung beginnst…“
„Hach, das ist einfach ein gutes Gefühl. Ich mache einen Teil, also einen kleinen Part des Formulars, schicke das dem Kunden, gemeinsam bessern wir nach… und so geht´s weiter. Weißt Du, es ist echt schwierig oder fast unmöglich, ein Konzept für ein komplexes Formular zu machen, so am Papier, aber so, wie wir das jetzt machen, Schritt für Schritt, das hat was. Macht fast Spaß!“
Sind die Fragen anfangs tatsächlich kurz bis sehr kurz, greife ich bei den letzten beiden Fragen jeweils zwei Phrasen auf, reihe sie aneinander und gebe damit eine Richtung vor – es erschien mir im gegebenen Kontext ganz natürlich, diesen „Faden“ weiter zu verfolgen.
Manchmal nutze ich längere Fragen auch dazu, mir Bilder, Erinnerungen oder Szenerien genauer bis ins Detail beschreiben zu lassen – wenn laut meiner Hypothese mein Gesprächspartner dadurch Ressourcen aktivieren kann. Mir geht es jedenfalls dann und wann so, dass ich mit jeder weiteren Beschreibung eines stärkenden Bildes, einer positiven Erinnerung irgendwie innerlich aufgerichteter werde, anders kann ich es nicht ausdrücken.
„Da bin ich dann aufgestanden und hab mir gedacht, wow, das hast Du aber gut hinbekommen!“
„Und wie war das?“
„Einfach gut.“
„Woran hast Du das gemerkt, dieses ‚Gut‘?“
„Hmm… ich glaub, ich war… ich bin richtig energiegeladen aufgestanden, so in der Stimmung ‚Jetzt packe ich es an‘!“
„Wie kann ich mir so ein ‚energiegeladen aufstehen‘ vorstellen?“
„Naja, so mit Schwung halt… Ich glaube, ich habe mich mit den Armen richtig rauskatapultiert!“
„Also mit Schwung, und mit den Armen rauskatapultiert… Was war da noch?“
„Na Du fragst… also so Sachen… Na gut, was war da noch… Als ich dann gestanden bin, habe ich die Schultern nach hinten gezogen, also nach oben und dann nach hinten, so ein Schulterkreisen…“
„Schwung, rauskatapultieren, Schulterkreisen… fällt Dir noch was ein?“
„Ja, genau, ich hab dann noch so eine Bewegung mit den Händen gemacht, mit den Armen… so ungefähr.“ (Zeigt eine Bewegung vor: Die Ellenbogen sind am Körper, Unterarme angewinkelt, lockere Fäuste vor den Schultern, dann machen die Unterarme eine Bewegung erst nach innen, vor die Brust, dann nach unten und schließlich mit einem Strecken der Arme nach vorne und etwas nach außen, wobei die Fäuste sich fester ballen).
„Wenn Du jetzt so an den Schwung denkst, daran, wie Deine Arme Dich rauskatapultiert haben, Du Deine Schultern kreist und dann diese Bewegung machst… was ist dann?“
„Witzig… (Lacht) Ich fühle mich belebt. Fast so wie damals…“
Ich kann mir vorstellen, dass mit jedem neuen Aspekt, der dieser Schilderung hinzugefügt wird, sich das Bild dieser Szene verstärkt und jenes Netzwerk an Neuronen im Gehirn, welches diese Szene speichert, ebenfalls gefestigt wird. Und ich möchte gerne glauben, dass dies dann dazu führt, dass eben dieses Netzwerk in Zukunft wieder ein kleines bisschen leichter angezapft werden kann, wenn es darum geht, sich an bestärkende Erfolgserlebnisse zu erinnern.
Manchmal ist es so, dass unsere Gesprächspartner unsere Angebote, auf Nebenschauplätze oder vermeintlich Unverfängliches zu sprechen zu kommen, schlichtweg ablehnen. Dies mag vor allem dann vorkommen, wenn unser Gegenüber einen großen Leidensdruck hat und die idiolektische Technik noch nicht kennt. Aber ich kenne es ja auch von mir selber – manchmal will ich „Tacheles reden“ und nicht über nette Blumen und Käfer im Sonnenschein. Wie also umgehen mit dem Wunsch meiner Gesprächspartnerin/meines Gesprächspartners und meinem Bestreben nach „Konkretem, vermeintlich Unverfänglichem“ zu fragen? Immerhin war dies ja der Einstieg in die Idiolektik, oder?
Nun, ich habe Gott sei Dank die Technik, welche sich per se ja nicht ändert, das heißt, ich kann meinen Handwerkskoffer nehmen und mit den bekannten Werkzeugen arbeiten. Welche Möglichkeiten gibt es denn, und was kann hilfreich sein?
„Gibt es etwas, das Du heute erzählen magst?“
„Naja… eigentlich wollte ich ja von meinen Plänen mit der Firma erzählen, aber jetzt… mein Nacken, meine Schultern tun seit Tagen weh, oder… nein, nicht weh, aber da ist so Druck und Spannung oder so… das zieht sich den Rücken runter bis hierhin ungefähr (deutet auf Nierengegend). Ist halt nicht angenehm.“
„Was sind denn die Pläne für Deine Firma?“
„Ah, da mag ich jetzt gar nicht reden. Aber das mit dem Rücken und so…“
Der erste Gesprächseinstieg, auf eine vermeintliche Ressource zu kommen, wurde also abgelehnt. Vielleicht wäre es besser gewesen, an dieser Stelle ganz offen zu fragen „Und jetzt – worüber magst Du jetzt reden?“, dann wäre diese kleine Irritation vielleicht ausgeblieben. In meinem Bemühen, anfangs auf das vermeintlich Unverfängliche zu kommen, habe ich wohl ein gegenteiliges Signal übersehen. Um das transparent zu machen, frage ich also weiter und lasse mir -nach einer Bestätigung- „das mit dem Rücken“ beschreiben.
„Ich habe den Eindruck, das mit dem Rücken beschäftigt Dich gerade?“
(nickt und brummt was in der Art von Mhm)
„Kannst Du mir das etwas genauer beschreiben, wie das jetzt gerade ist?“
Ich greife also auf die Technik, mir etwas beschreiben lassen zurück – auch hätte ich konkreter fragen können „Kannst Du mir den Druck und die Spannung genauer beschreiben? Wie kann ich mir die vorstellen?“, aber in der Gesprächssituation fiel mir dies aus welchen Gründen auch immer nicht ein.
(Setzt sich aufrechter hin, macht kurz ein Hohlkreuz) „Jetzt gerade… hmm…“ (kreist mit den Schultern) „Es fühlt sich wie eingerostet an, aber so große Kreise mit den Schultern, also mit… das tut gut, da knirscht und grammelt es richtig.“
„Knirscht und grammelt?“
„Ja, als würde sich da ganz viel Rost lösen irgendwie. Aber dazu… Also, das geht nur wenn ich ganz große Kreise mache.“
„Und wenn sich der Rost löst… Was ist dann?“
„Dann geht die Bewegung viel leichter. Jetzt tut sie… jetzt ist sie unangenehm, jedenfalls ab hier.“ (verharrt in einer bestimmte Position, der Oberarm ist etwa auf Höhe des Ohres) „Aber wenn ich da jetzt ganz langsam weiter mache…“ (macht die entsprechende Bewegung) „… dann geht es. Und wenn ich es noch einmal mache, geht es besser. Und irgendwann… naja, man wir ja noch träumen dürfen.“ (Lacht wie verlegen)
Das Bild vom Rost, der sich ablöst, führte zu ganz konkreten körperlichen Bewegungen und Empfindungen. Konkreter geht es ja fast nicht. Wir blieben eine ganze Weile bei diesen Bewegungen und dem Traum, dass er „ganz geschmeidig, kraftvoll und ohne Schmerzen die Arme wie eine Windmühle herumschleudern“ kann.
„Wie macht das eine Windmühle?“
„Naja, die ist ganz stabil gebaut. Die muss gut verankert sein. Ja, und sie… ha, ich glaube, die kann sich mit dem Wind drehen, also so ausrichten, so… dass sie den Wind halt optimal auffangen kann. Und wenn der Wind zu stark ist, dann kann man irgendwie die Flügel anlegen, ich denke das ist ganz wichtig.“
„Und wann weiß man, wann man die Flügel anlegen muss?“
„Ja, ich denke das ist Erfahrung. Oder vielleicht spürt man es auch, ich kann mir vorstellen, dass die Mühle dann vibriert, so auf eine Art dass man weiß… Vielleicht passiert das auch von alleine, also dass da so ein Mechanismus ist, der die Flügel einklappt, wenn sich das Ding zu schnell dreht. Das wäre natürlich ziemlich schlau.“
Im Laufe des Gespräches pendelten wir zwischen dem Schulter-Rückenbereich, Rost und der Windmühle hin und her. Auch ein Falke und ein Tölpel kamen kurz vor – sie legen die Flügel ganz eng an, um Geschwindigkeit aufzubauen, im Falle des Tölpels um tief ins Meer einzutauchen. Aber das Hauptbild, die Hauptmetapher war die Windmühle. Dabei tauchte wieder der „Druck und Spannung“ von der Eingangssequenz auf.
„Druck und Spannung – wie kann ich mir das vorstellen?“
„Hmm… So das Gefühl, dass… ja, dass auch in Ruhe die Muskeln angespannt sind. Wäre dabei doch gar nicht nötig. (…)“
„Und hast Du eine Idee, wann es gut sein könnte, die Muskeln angespannt zu haben?“
„Wenn ich in Gefahr bin. Oder auf der Hut sein muss, damit ich dann ganz schnell reagieren kann. Aber irgendwann muss doch auch mal Ruhe sein, oder?
Wir blieben eine kleine Weile bei diesem Gegensatzpaar Spannung und Ruhe. Die Sequenz endete damit, dass mein Gegenüber sich im Sessel zurechtrückte und eine Position einnahm, die er beschrieb als
„So wie jetzt… Da kann ich ruhig sein. Ich habe da eine Stütze im Rücken, auch einen Schutz. Da kann nix kommen. Und auch mein Kopf… es ist gut, den Kopf auch anlehnen zu können. Zu Hause habe ich keinen solchen Sessel…“ (Lacht) „Ich glaub, ich werd mir so einen kaufen!“
(…)
„Und wenn Du jetzt so zurückdenkst an das Gespräch… die Schultern, Druck und Spannung, Rost der sich löst, Windmühlen die wissen, wann sie die Flügel einklappen müssen… und auch an die Vögel… Was geht Dir dann so durch den Sinn?“
„Hmm… dass ich so die Schultern, also dieses Schulterkreisen hat gut getan, fühlt sich schon besser an. Und was mir so durch den Sinn geht… Irgendwie dass… so ein Bild, dass man sich manchmal von Wind so richtig durchputzen lassen muss, mit ausgebreiteten Flügeln. Dann fliegt der ganze Rost weg. „
Das Gespräch endete kurz nach dieser Sequenz. Leider fand es keine Fortsetzung. Natürlich hätte ich gerne gewusst, ob das Gespräch und die aufgetauchten Bilder sich als hilfreich erwiesen haben. Aber so ist das halt – manchmal dürfen wir sozusagen die Ernte eines Gespräches miterleben, und manchmal eben nicht.
In der Idiolektik (und nicht nur dort) werden unter „Archaischen Relikten“ Körperreaktionen verstanden, die fest in uns verdrahtet sind und auf die wir keinen direkten Einfluss haben. Sie sind in Hirnregionen verankert, die in einem frühen Stadium der Entwicklungsgeschichte das Überleben sicherten. Und reagieren vollautomatisch, sobald sie aktiviert werden, also unterhalb unserer Bewusstseinsgrenze.
Die daraus resultierenden Körperwahrnehmungen können von den Betroffenen durchaus als Krankheitssymptom empfunden werden, denen aber eine objektive Ursache zu fehlen scheint. Klassische Beispiele dafür wären Verdauungsprobleme, Herzklopfen, Muskelverspannungen im Nackenbereich, Gelenkschmerzen, Schwindelgefühle, um nur einige zu nennen.
Die Betroffenen nutzen zur Verdeutlichung ihrer Symptome durchaus metaphorischen Beschreibungen von Körperzuständen, wie zum Beispiel
Da bekomme ich weiche Knie
Es verschläft mir den Atem
Als würde ich Tonnen an Last stemmen müssen
Das liegt mir wie ein Stein im Magen
Da bekomme ich Schiss
Diese Körperzustände können wir (und das ist ein u.a. David Jonas zu verdankender Zugang) als Äußerungen eines lebendigen Organismus auffassen, der auf adäquate Art und Weise auf sein Umwelt reagiert. Dass dieses „adäquat“ sich jedoch auf eine lang zurückliegende, archaische Zeit bezieht, macht es nicht immer leicht, sich dieser Betrachtungsweise anzuschließen. Der Mensch war lange Zeit eher Beute als Jäger, und die daraus resultierenden Verhaltensmuster tragen wir als meist unbewusstes Erbe in uns. Schauen wir uns mal ein zugegebener Weise plakatives und stark vereinfachtes Beispiel an:
Stelle Dir vor, Du wärest ein Steinzeitmensch, streifst durch den Wald auf der Suche nach Essbarem, und plötzlich steht ein Säbelzahntiger vor Dir. Wie würdest Du reagieren?
Wenn Du Messer und Speer dabei hättest, könntest Du Dich vielleicht auf einen Kampf vorbereiten: Das Herz erhöht seine Schlagfrequenz, um eine erhöhte Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten, die Muskeln um den Thorax spannen sich an, um die wichtigen inneren Organe gegen Zähne und Krallen zu schützen, verschiedene Botenstoffe werden ausgeschüttet, um das Schmerzempfinden zu senken und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Hast Du allerdings nur Deinen Sammelkorb dabei, wirst Du Dich vielleicht eher auf die Flucht vorbereiten – erhöhter Herzschlag, aber auch vermehrte Darmtätigkeit, um den Darm vor der Flucht zu entleeren.
Warst Du ein bisserl zu langsam, und der Säbelzahntiger ist bereits über Dir, bleibt Dir nur noch eines: Totstellen. Die Herzfrequenz sackt auf ein Minimum ab, Deine Muskeln werden schlaff. Mit etwas Glück wird der Jäger dann von Dir ablassen, da er seinerseits einen Reflex hat, nur bei Gegenwehr einen tödlichen Biss anzubringen.
Heute ist die Gefahr, einem Raubtier zum Opfer zu fallen, eher gering. Allerdings legen diese körpereigenen Mechanismen den Begriff „Gefahr“ durchaus großzügig aus. Obig beschriebene Reaktionen werden -abhängig vom Charakter und den Umständen- auch eingeleitet, wenn die eigentliche Situation nur im übertragenen Sinne mit der archaischen, oben beschriebenen, zu tun hat.
Die Idiolektik als Methode greift diese Beschreibungen der Symptome auf und lässt sich die wahrgenommenen Körperphänomene erzählen. Dann und wann reicht es schon aus, Fragen zur verwendeten Metapher zu stellen (Wie kann ich mir dies und jenes vorstellen? Wo oder wann könnte dies und jenes von Nutzen sein?), um den Erzählenden zu neuen Ein- oder Aussichten zu verhelfen. Im Bedarfsfall kann sie Erklärungsmodelle liefern, um einen neuen Blickwinkel auf das unerwünschte Verhalten ermöglichen. Dieser neue Blickwinkel kann im besten Falle zu einer Art Aussöhnung und Neubewertung des Verhaltens führen, welches sich dann vielleicht nicht mehr in seiner bisherigen Vehemenz zu zeigen braucht.
Empfehlenswert dazu: „Signale der Urzeit“ vom Ehepaar Jonas (siehe Literaturseite)
Ich war unsicher, was ich als nächstes hier schreiben wollte. Da kam der Gedanke auf, ein Gespräch zum neuen Jahr zu führen. Es dauerte nicht länger als vielleicht zehn Minuten. Es berührt mich immer wieder, wie auch in solch kurzen Gesprächen neue Gedanken, Idee, Zusammenhänge auftauchen und welche Erinnerungen sich melden können.
Und hier ist sie nun also – die Mitschrift eines kurzes Gesprächs zum Jahresende 2021.
Wenn Du so an 2022 denkst… was geht Dir da so durch den Sinn?
Naja, dass es halt schon seltsam ist. Einerseits, ein neues Jahr, niegelnagelneu, unverbraucht, voller Möglichkeiten. Aber ich, ich bin halt nicht unverbraucht, trage meine Geschichte mit in dieses neue Jahr. Und trotzdem ist es jedesmal doch irgendwie was Besonderes…
Was Besonderes?
Ja, so wie… kennst Du das Lied „Morning has broken“? Da geht es ja auch genau um das, um dieses Unverbrauchte, Neue, Möglichkeitsreiche. Jeder Tag ist ein neuer Tag. Jedes Jahr ein neues Jahr. Ich glaube, früher, da konnte ich… da.. da fiel es mir leichter, mich in diese Stimmung reinzufinden: „Ein neuer Tag, wie großartig“. Glaub ich halt jedenfalls.
Magst mir diese Stimmung beschreiben?
Ja, das ist so… so eine Aufbruchsstimmung. Ich glaube, ich weiß jetzt nicht wieso, ich glaube, wie am Morgen vor so einer Bergwanderung. Rucksack ist gepackt, Essen eingepackt, wir wissen, wo wir hinwollen, das Wetter ist gut. Ist halt kein Alltag. Der Alltag, wenn man den immer so mitschleppt, weißt du… der macht es schwer, dieses Neue, diese Stimmung aufkommen zu lassen.
Eine Bergwanderung?
Ja. Ist lange her, dass ich eine gemacht habe in dieser Stimmung. Das ist eher so eine Erinnerung an meine Jugend, glaube ich. Oder nur Phantasie, mir fällt jetzt grad kein Beispiel ein, aber so stell ich’s mir halt vor. So einfach losziehen. Ein bisserl war das so, als ich mit einer Cousine im Elbsandsteingebirge wandern war. Aber vielleicht… vielleicht war das auch nicht so, und ich wünsche es mir halt nur. Die Erinnerung ist manchmal ein trügerischer Hund!
Wie war das mit dem Elbsandsteingebirge?
Naja, mit einer Cousine von mir, aus Berlin, hatte ich eine Weile mehr Kontakt, wohl so mit Briefen und so. Und irgendwann kam da die Idee auf, keine Ahnung von wem, dass wir ja mal wandern gehen könnten zu zweit. Erstmal wollten wir rauf nach Polen, glaube ich, dann ist es das Elbsandsteingebirge geworden. Ich glaube, das war mir auch lieber so, ich bin…. naja, ich weiß nicht. Ja, und dann sind wir da eine Woche oder so gewandert, mit Zelt, einem Campingkocher und so. War eine gute Zeit, sie hat mir dann und wann ein russisches Gedicht vorgetragen. Russisch klingt… ja, irgendwie… gefällt mir halt.
Was habt´‘ s ihr so beim Wandern gesehen?
Wald, Felsen, dann diese Festung, ich glaube Königstein oder so heißt sie, sehr eindrucksvoll. Und Steinformationen. Ja, und auf der Elbe die großen Ausflugsschiffe, die haben sich in der Elbe gedreht, um wieder zurückfahren zu können. Da dachte ich mir, das geht sich doch nie aus, das Schiff war ja so lang wie der Fluss breit ist. Aber hat immer funktioniert.
Magst mir was von den Steinformationen erzählen?
Naja, die… nee, ich bin gerade ganz woanders. Wieder bei diesem Neuanfang oder so.
Was hat es mit dem Neuanfang auf sich?
Ich muss grad an so ein Schild denken, das war… das hing in einer Werkstatt. Vielleicht beim Heini in der Schuhwerkstatt, oder in der Obermühle oder sonst einem solchen Handwerksbetrieb. Das stand drauf was in der Art von „Und jeden Tag wieder: Du hast die Chance, Dein Bestes zu geben“ oder „Du hast die Chance, diesen Tag zum besten Deines Lebens zu machen“. Auf alle Fälle stand was von „Chance“. Vielleicht ist es das, was der Jahreswechsel macht, an was…. ja, an was er mich erinnert. Dass die Chance besteht. Die Chance, das eine oder andere vielleicht anders oder sogar besser zu machen.
Wollen wir es bei dieser Chance belassen? Oder gibt es etwas, das noch gesagt werden mag?
Nee, nee, das ist gut so. Können wir gut so stehen lassen.
Die hier beschriebenen Interventionstechniken sind vom Irritationsniveau schon ein bisserl höher als die in Teil 2 beschriebenen. Je höher das Irritationsniveau, desto sicherer muss ich mir in der Anwendung dieser Techniken sein, da ich ja die gute Beziehung zu meinem Gegenüber, die unbedingt vorhanden sein muss, nicht überstrapazieren möchte.
Personifizieren
Bei körperlich beschreibbaren Symptomen ist es oft hilfreich, die betroffenen Organe selbst zu Wort kommen zu lassen. Unsere Sprache ist ja reich an entsprechenden Redewendungen – „Das liegt mir wie ein Stein im Magen“, „Da platzt mir der Kragen“, „Das lastet auf meinen Schultern“ und so weiter.
„Das ganze ist wie ein riesen Gewicht, das ich auf den Schultern herumschleppen muss.“ – „Und was sagen Deine Schultern dazu?“
Gesprächsausschnitt
Durch das Personifizieren kommt einerseits ein Perspektivenwechsel zustande, gleichzeitig wird eine gewisse Distanz geschaffen, was durchaus erleichternd sein kann.
Erklärungen anbieten
Normalerweise gebe ich während eines idiolektischen Gespräches wenig bis gar nichts Eigenes an Wissen und Erfahrung dazu. Manchmal mache ich da aber eine Ausnahme – wenn z.B. ein Verhalten als problematisch empfunden wird, das sich aber durch z.B. archaische Relikte erklären lassen kann.
„In solchen Situationen beginnt mein Herz zu rasen, das muss ich dann ganz tief und bewusst atmen… ist voll unangenehm, das kannst Du mir glauben.“ – „Magst Du was zu diesem Herzrasen hören, was mir dazu einfällt?“ – „Hmm… ja, gut.“ – „Also, …“
Gesprächsausschnitt
Es kann entlastend wirken, eine neue Interpretation eines Verhaltens zu hören. Manchmal kann man auch sein Gegenüber direkt fragen, ob er über ein entsprechendes Wissen verfügt:
„In solchen Situationen beginnt mein Herz zu rasen, das muss ich dann ganz tief und bewusst atmen… ist voll unangenehm, das kannst Du mir glauben.“ – „Und was meinst Du… gibt es Situationen, in denen Herzrasen sinnvoll sein könnte?“
alternativer Gesprächsverlauf
Die andere Seite
David Jonas spricht hier auch von „der Kehrseite der Medaille“, wenn ich mich recht erinnere. Wir fragen also quasi nach der anderen Seite der Medaille, nachdem uns die eine beschrieben wurde.
„Es ist schon ziemlich mühselig, weißt Du… Da jeden Tag dafür die Energie aufbringen, das ist schon hart irgendwie, fällt mir manchmal richtig schwer, weißt Du…“ – „Und wenn es Dir leicht fallen würde, was wäre dann?“
Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung
Kristallisationspunkte erzeugen
Hinter diesem Begriff (den Du wohl vergeblich in der Literatur suchen würdest) verstecken sich für mich eine Reihe an Interventionen, die mein Gegenüber zu klaren Aussagen verleiten. Was für Beispiele fallen mir dafür ein… mal sehen:
Übertreibung mit angehängter Provokation
„Irgendwie komme ich mit dem ganzen schon klar, ich meine… ja, ich hab mich arrangiert und bin eigentlich ganz zufrieden.“ – „Das ist ja ein großartiges Arrangement… Wo ist dann das Problem?“ – „He, ich hab nie gesagt, dass es großartig wäre! …“
Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung
Bei der Übertreibung lasse ich sozusagen die einschränkenden Aussagen weg („im großen und ganzen“ und „eigentlich“) und lege noch ein Schäuferl nach bis hin zur provokanten Frage, wo denn dann das Problem sei. Dazu ist anzumerken, dass mein Gegenüber immer wieder betonte, wie schwer die Situation für ihn sei, und dass er sich halt arrangiert hätte. Beim ersten Auftreten einer solchen Aussage wäre eine derartige Intervention aus meiner Sicht nicht angemessen!
Advocatus Diaboli
Hier nehme ich ganz bewusst die Gegenposition zu dem Gesagten ein. Dabei ist eine gewisse Vorsicht geboten, denn es könnte ja bei den Gesprächspartnern so ankommen, als würde ich sie nicht ganz ernst nehmen oder argumentativ auf die Probe stellen wollen. Diese Technik kann man auch wunderbar anwenden, wenn der Gesprächspartner z.B. eine Lösung für ein Problem gefunden hat – dadurch, dass ich hier die Position des alten Verhaltens einnehme und argumentiere, können eventuell weitere, bislang noch nicht sichtbar gewordene Aspekte Berücksichtigung finden.
Widersprüche aufzeigen
Üblicherweise werde ich meine Gesprächspartner nicht auf Widersprüche hinweisen, die sich aus deren Aussagen ergeben. Der Mensch ist ein durchaus mit Widersprüchen behaftetes Wesen, und es ist nicht nötig, dass wir das einander ständig unter die Nase reiben.
Als Interventionstechnik dagegen -also sparsam angewandt, in einem Gespräch, das bereits von einer vertrauensvollen Beziehung getragen wird- kann ein solcher Hinweis dazu führen, dass eine Situation oder widerstreitende Gefühle oder Bedürfnisse nochmals angesehen werden. Oft führt eine derartige Intervention zu einer Klärung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer die eine oder andere Aussage zutrifft.
„Jetzt kenne ich mich nicht aus… vorhin hast Du erzählt, wie gerne Du in Deiner Werkstatt stehst, welche Freude Dir das macht… und jetzt höre ich Dich sagen, du bist unsicher, ob die Werkstatt das Richtige für Dich ist oder nur ein Hirngespinst? Kannst du mir das nochmals erklären?“
Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung
Und weil es so gut passt: Eine Auflistung etlicher Interventionstechniken findet sich im Buch „Idiolektik: richtig fragen“ (Horst Poimann, ISBN 978-3-930823-70-3), ergänzt von kleinen Gesprächsbeispielen.
Wie bereits an anderer Stelle geschrieben, ist ein Gespräch ohne Interventionen undenkbar. Die Interventionstechniken, die wir innerhalb der Idiolektik anwenden, unterscheiden sich hinsichtlich des Grades der Irritation, die sie hervorrufen. Hier sind nun einige Techniken angeführt, die tendenziell kaum Störung hervorrufen und gedacht sind, ein gut fließendes Gespräch durch kleine Anstöße am Laufen zu halten.
Schlüsselworte nachfragen
Für mich ist dies sozusagen der Klassiker schlechthin. Sobald mir ein Wort auffällt, es konkret und vermeintlich unvergänglich ist, kann ich es schon aufgreifen und einfach danach fragen und es mir genauer beschreiben lassen.
„Schabernack?“ – „Ja, halt so Streiche, über die man mehr lacht als sich zu ärgern. So wie Kobolde es wohl machen würden.“ – „Kannst mir so einen Kobold beschreiben?“
Gesprächsausschnitt
Nichtsprachliche Elemente aufgreifen
Der Idiolekt beinhaltet ja nicht nur sprachliche Ausdrücke, sondern das Gesamtpaket aus Ausdruck, also auch z.B. Mimik, Gestik, Idiomotorik oder spontane Lautäußerungen. Auch auf diese kann man sich mit einfachen Fragen beziehen.
„Ja, und dann habe ich halt den ganzen Baum abgeschnitten, also umgeschnitten. Kam unerwartet… (lacht, aber ohne Mund zu öffnen) … aber so ist das nun einmal, manchmal halt (Bewegung beider Hände vom Schoß vor den Bauch, leicht nach außen, Handflächen zeigen nach oben).“ – „Kannst mit noch was zu dieser Bewegung (imitiert die Bewegung der Hände) sagen?“
Gesprächsauschnitt
Individuelle Bedeutung erfragen
Oft gehen wir davon aus, dass wir ein gemeinsames Verständnis mancher Begriffe haben, wie z.B. „klein“ oder „groß“. Oder „Urlaub“, oder „die Sonne scheint“. Sofort entstehen in uns Bilder dazu, die allerdings mit unserer Geschichte zu tun haben, nicht mit der der Anderen. Es lohnt sich nachzufragen, wie denn dieses Wort in den individuellen Kontext unserer Gesprächspartner eingebettet ist – dann und wann zeigt sich Erstaunliches!
„Ich hatte urlang keinen Urlaub mehr, weißt Du… also ich kann … jetzt kann ich ja eh keinen Urlaub nehmen, bin ja nicht angestellt, aber … ich nenne es halt trotzdem Urlaub wenn ich für paar Tage zusperre…“ – „Was bedeutet ‚Urlaub‘ für Dich?“
Gesprächsausschnitt
Sich den Nutzen erklären lassen
Diese Technik hat für mich viel mit der oben angeführten „individuellen Bedeutung“ zu tun, denn auch der Nutzen, den Menschen aus den vermeintlich selben Situationen oder Gegenständen ziehen, unterscheidet sich zum Teil gewaltig voneinander.
„Nun ja, da machte ich, … also … da gründete ich eine eigene Firma, also ein Ein-Frau-Unternehmen. Das war nicht leicht, also … da war ich allein, niemand hat, also… da hat mir kaum jemand geholfen. Aber jetzt… jetzt habe ich oder … bin ich eine eigene Firma, das ist super.“ – „Was ist das Gute daran, eine eigene Firma zu haben oder zu sein?“
Gesprächsausschnitt
Bilder und Metaphern aufgreifen
Wenn Worte nicht ausreichen, Situationen zu erklären, dann kommen Bilder und Metaphern ins Spiel. Sie werden häufig zur Darstellung von Sachverhalten oder Gefühlen genutzt, und es lohnt sich meist, sich die Bilder und Metaphern dann ganz konkret beschreiben zu lassen.
„Du wirst ja… also ich glaube du kennst das ja auch, das Gefühl auf dem falschen Dampfer zu sein. Da passt irgendwie gar nix mehr zusammen.“ – „Kannst Du mir diesen Dampfer mal beschreiben?“
Gesprächsausschnitt
Und weil es so gut passt: Eine Auflistung etlicher Interventionstechniken findet sich im Buch „Idiolektik: richtig fragen“ (Horst Poimann, ISBN 978-3-930823-70-3), ergänzt von kleinen Gesprächsbeispielen.
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Es sind keine anstehenden Veranstaltungen vorhanden.
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