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Kategorie: Technik

Texte zur idiolektischen Technik

Spieltipp „Wer gut fragt, gewinnt“

Spieltipp „Wer gut fragt, gewinnt“

Dass es einmal ein Spiel geben wird, das auf leichtfüßige Art idiolektische Ansatzpunkte erfahrbar machen kann – das hätte ich ja nicht gedacht. Umso mehr freut es mich, genau ein solches Spiel hier in aller Kürze vorstellen zu können. „Wer gut fragt, gewinnt“ ist ein von Daniel Bindernagel entwickeltes Spiel „für bessere Gespräche durch gute Fragen und aktives Zuhören“, wie es sozusagen als Untertitel lautet.

Was sofort auffällt, ist die hochwertige Verarbeitung – alle Materialien sind kompakt in einer schön gestalteten Holzbox verstaut, die Karten fühlen sich stabil und angenehm an. Die Anleitung ist kurz und knapp, sodass man nach dem Auspacken sofort loslegen kann.

Das Spiel ist für 2 bis 10 Personen ausgelegt – ich habe nur Erfahrungen mit Gruppen zwischen vier und sieben Personen sammeln können. Ich kann mir vorstellen, dass es bei 10 Personen anfangs eine Herausforderung ist, sich möglichst alle angebotenen Fragen zu merken.

Der Ablauf ist einfach: eine Person würfelt und legt damit fest, welche idiolektische Technik oder Haltung den Fragen zugrunde liegen wird: Schlüsselwort? Bilder? Zieloffentheit? Resonanz? Würdigung?

Anschließend zieht sie eine Karte mit einer Situation, einem Ausspruch, einem Sprichwort und liest den Test vor. Die übrigen MitspielerInnen formulieren nun Fragen und stellen diese. Die Person, die gewürfelt hat, kann sich nun ihre „Lieblingsfrage“ aussuchen und beantworten. Die MitspielerIn, deren Frage beantwortet wurde, erhält eine Blankokarte, und so geht es weiter reihum bis jede Person zumindest einmal gewürfelt und geantwortet hat.

Bislang spielte ich „Wer gut fragt, gewinnt“ nur mit Personen, die Idiolektik kennen und schätzen. Ich bin wirklich gespannt auf eine Spielrunde mit Menschen, die keinen Bezug zur Idiolektik haben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Menschen, die Freude an Kommunikation haben und offen für neue Wege sind, das Spiel als Bereicherung empfinden. Denn auf spielerische Art und Weise werden unsere bisherigen Kommunikationsmuster zwar nicht hinterfragt (das kann dann jede Person für sich selber machen), aber neue Ideen angeboten.

Was mir zudem gut gefällt, ist, dass es neben dem vom Gefühl her kompetitiven ersten Teil einen zweiten Teil gibt, bei dem es dezidiert um ein Miteinander geht. Aus den Übungsgruppen kenne ich das verzagt machende Gefühl, eine Frage formuliert zu haben, die dann nicht so angenommen wird, wie es gedacht war. In dieser ersten Runde stellte sich manchmal ein ähnliches Gefühl ein, wenn die Fragen einer Person viel seltener als die der anderen ausgewählt wurde. Verzagtheit bis Gekränktheit kamen da gelegentlich zu Tage.

Im zweiten Teil dann geht es darum, rund um die Inhalte der Karten gemeinsam eine Geschichte zu spinnen. Anders als im ersten Teil gibt es keine festgelegte Reihenfolge.

In der kurzen Beschreibung werden verschiedene Spielvarianten angeboten, was dazu einlädt, weitere, der Situation und der Gruppe angemessene Variationen zu finden.

Tja, was soll ich sagen… mit gefällt´s jedenfalls!

Wieso ich nicht nur kurze Fragen stelle?

Wieso ich nicht nur kurze Fragen stelle?

Wie an anderen Stellen beschrieben, ist es ein Merkmal der Idiolektik, kurze, konkrete und offene Fragen zu stellen. So habe ich es gelernt, so gebe ich es wieder, wenn ich die Technik vermittle. Doch bei genauerer Beobachtung ertappe ich mich immer wieder dabei, das „kurz“ zu vernachlässigen. In Ergänzung zum vorherigen Beitrag Warum ich kurze Fragen so liebe fasse ich mal paar Gedanken sozusagen zur Gegenposition zusammen, die mir so einfallen. Angelehnt an diesen vorherigen Beitrag ist eine „kurze“ Frage die, die nur eine Phrase aus dem Angebot herausgreift.

So ganz nebenbei: ich freue mich über Rückmeldungen als Kommentar zu diesem Artikel! Wie Du einen Kommentar hinzufügen kannst? Einfach auf den Link „x Kommentare“ unterhalb der jeweiligen Artikelüberschrift klicken :-), in der anschließend angezeigten Maske Deinen Kommentar schreiben und senden.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn ich ein Gespräch mit einem Spaziergang vergleiche, ohne festes Ziel die Gegend durchstreifend, kommt man doch immer wieder an Stellen, die zum Verweilen einladen. Man bleibt stehen, schnauft vielleicht ein, zwei Mal tief durch und lässt den Blick schweifen. Im Gespräch scheint es mir ähnlich zu sein – es gibt Sequenzen, die so ein Innehalten spüren lassen. Genauer gesagt: ich als Zuhörer habe die Hypothese, dass hier ein „guter“ Platz zum Verweilen ist. Und muss daher bereit sein, diese Hypothese sofort fallen zu lassen, wenn sie sich als falsch heraus stellt.

„Was geht Dir grad durch den Kopf?“

„Dass ich gerade ziemlich k.o. bin, müde. Ich habe viel gearbeitet die letzten Wochen, und das hat mir nicht gut getan.“

„Hmm… was tut Dir gut?“

„Naja, dass es jetzt vorbei ist, also so diese große Anstrengung, jetzt kann ich wieder runterschalten.“

„Runterschalten?“

„Ja, runterschalten. Das war schon ziemlich anstrengend, diese letzte Zeit… Viele Überstunden, dabei, also eigentlich habe ich ja meine Arbeitszeit reduziert. Aber es war wichtig, der Kunde war schon ziemlich sauer wegen verschiedener Verzögerungen, also hab ich mir halt eingebildet, da reinspringen zu müssen. (Pause, dann langsamer weiter) Jetzt habe ich guten Kontakt zum Kunden, es ist klar was zu tun ist… das ist gut. Da kann man Sachen umsetzen, jetzt, wo das klar ist. Ja, das ist gut… und tut auch gut irgendwie.“

„Was braucht es, damit etwas gut ist?“

„Naja, Kontakt halt und zu wissen… also sich geeinigt zu haben, was zu tun ist.“

„Und wenn Du Kontakt hast und ihr wisst was zu tun ist…?“

„Dann kann ich endlich mit der Umsetzung beginnen. Wir hatten schon zwei Anläufe gemacht, aber die Konzepte waren einfach Käse… Aber jetzt…“

„Und wenn Du weißt was zu tun ist und mit der Umsetzung beginnst…“

„Hach, das ist einfach ein gutes Gefühl. Ich mache einen Teil, also einen kleinen Part des Formulars, schicke das dem Kunden, gemeinsam bessern wir nach… und so geht´s weiter. Weißt Du, es ist echt schwierig oder fast unmöglich, ein Konzept für ein komplexes Formular zu machen, so am Papier, aber so, wie wir das jetzt machen, Schritt für Schritt, das hat was. Macht fast Spaß!“

Sind die Fragen anfangs tatsächlich kurz bis sehr kurz, greife ich bei den letzten beiden Fragen jeweils zwei Phrasen auf, reihe sie aneinander und gebe damit eine Richtung vor – es erschien mir im gegebenen Kontext ganz natürlich, diesen „Faden“ weiter zu verfolgen.

Manchmal nutze ich längere Fragen auch dazu, mir Bilder, Erinnerungen oder Szenerien genauer bis ins Detail beschreiben zu lassen – wenn laut meiner Hypothese mein Gesprächspartner dadurch Ressourcen aktivieren kann. Mir geht es jedenfalls dann und wann so, dass ich mit jeder weiteren Beschreibung eines stärkenden Bildes, einer positiven Erinnerung irgendwie innerlich aufgerichteter werde, anders kann ich es nicht ausdrücken.

„Da bin ich dann aufgestanden und hab mir gedacht, wow, das hast Du aber gut hinbekommen!“

„Und wie war das?“

„Einfach gut.“

„Woran hast Du das gemerkt, dieses ‚Gut‘?“

„Hmm… ich glaub, ich war… ich bin richtig energiegeladen aufgestanden, so in der Stimmung ‚Jetzt packe ich es an‘!“

„Wie kann ich mir so ein ‚energiegeladen aufstehen‘ vorstellen?“

„Naja, so mit Schwung halt… Ich glaube, ich habe mich mit den Armen richtig rauskatapultiert!“

„Also mit Schwung, und mit den Armen rauskatapultiert… Was war da noch?“

„Na Du fragst… also so Sachen… Na gut, was war da noch… Als ich dann gestanden bin, habe ich die Schultern nach hinten gezogen, also nach oben und dann nach hinten, so ein Schulterkreisen…“

„Schwung, rauskatapultieren, Schulterkreisen… fällt Dir noch was ein?“

„Ja, genau, ich hab dann noch so eine Bewegung mit den Händen gemacht, mit den Armen… so ungefähr.“ (Zeigt eine Bewegung vor: Die Ellenbogen sind am Körper, Unterarme angewinkelt, lockere Fäuste vor den Schultern, dann machen die Unterarme eine Bewegung erst nach innen, vor die Brust, dann nach unten und schließlich mit einem Strecken der Arme nach vorne und etwas nach außen, wobei die Fäuste sich fester ballen).

„Wenn Du jetzt so an den Schwung denkst, daran, wie Deine Arme Dich rauskatapultiert haben, Du Deine Schultern kreist und dann diese Bewegung machst… was ist dann?“

„Witzig… (Lacht) Ich fühle mich belebt. Fast so wie damals…“

Ich kann mir vorstellen, dass mit jedem neuen Aspekt, der dieser Schilderung hinzugefügt wird, sich das Bild dieser Szene verstärkt und jenes Netzwerk an Neuronen im Gehirn, welches diese Szene speichert, ebenfalls gefestigt wird. Und ich möchte gerne glauben, dass dies dann dazu führt, dass eben dieses Netzwerk in Zukunft wieder ein kleines bisschen leichter angezapft werden kann, wenn es darum geht, sich an bestärkende Erfolgserlebnisse zu erinnern.

Archaische Relikte

Archaische Relikte

In der Idiolektik (und nicht nur dort) werden unter „Archaischen Relikten“ Körperreaktionen verstanden, die fest in uns verdrahtet sind und auf die wir keinen direkten Einfluss haben. Sie sind in Hirnregionen verankert, die in einem frühen Stadium der Entwicklungsgeschichte das Überleben sicherten. Und reagieren vollautomatisch, sobald sie aktiviert werden, also unterhalb unserer Bewusstseinsgrenze.

Die daraus resultierenden Körperwahrnehmungen können von den Betroffenen durchaus als Krankheitssymptom empfunden werden, denen aber eine objektive Ursache zu fehlen scheint. Klassische Beispiele dafür wären Verdauungsprobleme, Herzklopfen, Muskelverspannungen im Nackenbereich, Gelenkschmerzen, Schwindelgefühle, um nur einige zu nennen.

Die Betroffenen nutzen zur Verdeutlichung ihrer Symptome durchaus metaphorischen Beschreibungen von Körperzuständen, wie zum Beispiel

  • Da bekomme ich weiche Knie
  • Es verschläft mir den Atem
  • Als würde ich Tonnen an Last stemmen müssen
  • Das liegt mir wie ein Stein im Magen
  • Da bekomme ich Schiss

Diese Körperzustände können wir (und das ist ein u.a. David Jonas zu verdankender Zugang) als Äußerungen eines lebendigen Organismus auffassen, der auf adäquate Art und Weise auf sein Umwelt reagiert. Dass dieses „adäquat“ sich jedoch auf eine lang zurückliegende, archaische Zeit bezieht, macht es nicht immer leicht, sich dieser Betrachtungsweise anzuschließen. Der Mensch war lange Zeit eher Beute als Jäger, und die daraus resultierenden Verhaltensmuster tragen wir als meist unbewusstes Erbe in uns. Schauen wir uns mal ein zugegebener Weise plakatives und stark vereinfachtes Beispiel an:

Stelle Dir vor, Du wärest ein Steinzeitmensch, streifst durch den Wald auf der Suche nach Essbarem, und plötzlich steht ein Säbelzahntiger vor Dir. Wie würdest Du reagieren?

Wenn Du Messer und Speer dabei hättest, könntest Du Dich vielleicht auf einen Kampf vorbereiten: Das Herz erhöht seine Schlagfrequenz, um eine erhöhte Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten, die Muskeln um den Thorax spannen sich an, um die wichtigen inneren Organe gegen Zähne und Krallen zu schützen, verschiedene Botenstoffe werden ausgeschüttet, um das Schmerzempfinden zu senken und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.

Hast Du allerdings nur Deinen Sammelkorb dabei, wirst Du Dich vielleicht eher auf die Flucht vorbereiten – erhöhter Herzschlag, aber auch vermehrte Darmtätigkeit, um den Darm vor der Flucht zu entleeren.

Warst Du ein bisserl zu langsam, und der Säbelzahntiger ist bereits über Dir, bleibt Dir nur noch eines: Totstellen. Die Herzfrequenz sackt auf ein Minimum ab, Deine Muskeln werden schlaff. Mit etwas Glück wird der Jäger dann von Dir ablassen, da er seinerseits einen Reflex hat, nur bei Gegenwehr einen tödlichen Biss anzubringen.

Heute ist die Gefahr, einem Raubtier zum Opfer zu fallen, eher gering. Allerdings legen diese körpereigenen Mechanismen den Begriff „Gefahr“ durchaus großzügig aus. Obig beschriebene Reaktionen werden -abhängig vom Charakter und den Umständen- auch eingeleitet, wenn die eigentliche Situation nur im übertragenen Sinne mit der archaischen, oben beschriebenen, zu tun hat.

Die Idiolektik als Methode greift diese Beschreibungen der Symptome auf und lässt sich die wahrgenommenen Körperphänomene erzählen. Dann und wann reicht es schon aus, Fragen zur verwendeten Metapher zu stellen (Wie kann ich mir dies und jenes vorstellen? Wo oder wann könnte dies und jenes von Nutzen sein?), um den Erzählenden zu neuen Ein- oder Aussichten zu verhelfen. Im Bedarfsfall kann sie Erklärungsmodelle liefern, um einen neuen Blickwinkel auf das unerwünschte Verhalten ermöglichen. Dieser neue Blickwinkel kann im besten Falle zu einer Art Aussöhnung und Neubewertung des Verhaltens führen, welches sich dann vielleicht nicht mehr in seiner bisherigen Vehemenz zu zeigen braucht.


Empfehlenswert dazu: „Signale der Urzeit“ vom Ehepaar Jonas (siehe Literaturseite)

Interventionen (3)

Interventionen (3)

Die hier beschriebenen Interventionstechniken sind vom Irritationsniveau schon ein bisserl höher als die in Teil 2 beschriebenen. Je höher das Irritationsniveau, desto sicherer muss ich mir in der Anwendung dieser Techniken sein, da ich ja die gute Beziehung zu meinem Gegenüber, die unbedingt vorhanden sein muss, nicht überstrapazieren möchte.

Bild von kasiaczernik auf Pixabay

Personifizieren

Bei körperlich beschreibbaren Symptomen ist es oft hilfreich, die betroffenen Organe selbst zu Wort kommen zu lassen. Unsere Sprache ist ja reich an entsprechenden Redewendungen – „Das liegt mir wie ein Stein im Magen“, „Da platzt mir der Kragen“, „Das lastet auf meinen Schultern“ und so weiter.

„Das ganze ist wie ein riesen Gewicht, das ich auf den Schultern herumschleppen muss.“ – „Und was sagen Deine Schultern dazu?“

Gesprächsausschnitt

Durch das Personifizieren kommt einerseits ein Perspektivenwechsel zustande, gleichzeitig wird eine gewisse Distanz geschaffen, was durchaus erleichternd sein kann.

Erklärungen anbieten

Normalerweise gebe ich während eines idiolektischen Gespräches wenig bis gar nichts Eigenes an Wissen und Erfahrung dazu. Manchmal mache ich da aber eine Ausnahme – wenn z.B. ein Verhalten als problematisch empfunden wird, das sich aber durch z.B. archaische Relikte erklären lassen kann.

„In solchen Situationen beginnt mein Herz zu rasen, das muss ich dann ganz tief und bewusst atmen… ist voll unangenehm, das kannst Du mir glauben.“ – „Magst Du was zu diesem Herzrasen hören, was mir dazu einfällt?“ – „Hmm… ja, gut.“ – „Also, …“

Gesprächsausschnitt

Es kann entlastend wirken, eine neue Interpretation eines Verhaltens zu hören. Manchmal kann man auch sein Gegenüber direkt fragen, ob er über ein entsprechendes Wissen verfügt:

„In solchen Situationen beginnt mein Herz zu rasen, das muss ich dann ganz tief und bewusst atmen… ist voll unangenehm, das kannst Du mir glauben.“ – „Und was meinst Du… gibt es Situationen, in denen Herzrasen sinnvoll sein könnte?“

alternativer Gesprächsverlauf

Die andere Seite

David Jonas spricht hier auch von „der Kehrseite der Medaille“, wenn ich mich recht erinnere. Wir fragen also quasi nach der anderen Seite der Medaille, nachdem uns die eine beschrieben wurde.

„Es ist schon ziemlich mühselig, weißt Du… Da jeden Tag dafür die Energie aufbringen, das ist schon hart irgendwie, fällt mir manchmal richtig schwer, weißt Du…“ – „Und wenn es Dir leicht fallen würde, was wäre dann?“

Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung

Kristallisationspunkte erzeugen

Hinter diesem Begriff (den Du wohl vergeblich in der Literatur suchen würdest) verstecken sich für mich eine Reihe an Interventionen, die mein Gegenüber zu klaren Aussagen verleiten. Was für Beispiele fallen mir dafür ein… mal sehen:

Übertreibung mit angehängter Provokation

„Irgendwie komme ich mit dem ganzen schon klar, ich meine… ja, ich hab mich arrangiert und bin eigentlich ganz zufrieden.“ – „Das ist ja ein großartiges Arrangement… Wo ist dann das Problem?“ – „He, ich hab nie gesagt, dass es großartig wäre! …“

Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung

Bei der Übertreibung lasse ich sozusagen die einschränkenden Aussagen weg („im großen und ganzen“ und „eigentlich“) und lege noch ein Schäuferl nach bis hin zur provokanten Frage, wo denn dann das Problem sei. Dazu ist anzumerken, dass mein Gegenüber immer wieder betonte, wie schwer die Situation für ihn sei, und dass er sich halt arrangiert hätte. Beim ersten Auftreten einer solchen Aussage wäre eine derartige Intervention aus meiner Sicht nicht angemessen!

Advocatus Diaboli

Hier nehme ich ganz bewusst die Gegenposition zu dem Gesagten ein. Dabei ist eine gewisse Vorsicht geboten, denn es könnte ja bei den Gesprächspartnern so ankommen, als würde ich sie nicht ganz ernst nehmen oder argumentativ auf die Probe stellen wollen. Diese Technik kann man auch wunderbar anwenden, wenn der Gesprächspartner z.B. eine Lösung für ein Problem gefunden hat – dadurch, dass ich hier die Position des alten Verhaltens einnehme und argumentiere, können eventuell weitere, bislang noch nicht sichtbar gewordene Aspekte Berücksichtigung finden.

Widersprüche aufzeigen

Üblicherweise werde ich meine Gesprächspartner nicht auf Widersprüche hinweisen, die sich aus deren Aussagen ergeben. Der Mensch ist ein durchaus mit Widersprüchen behaftetes Wesen, und es ist nicht nötig, dass wir das einander ständig unter die Nase reiben.

Als Interventionstechnik dagegen -also sparsam angewandt, in einem Gespräch, das bereits von einer vertrauensvollen Beziehung getragen wird- kann ein solcher Hinweis dazu führen, dass eine Situation oder widerstreitende Gefühle oder Bedürfnisse nochmals angesehen werden. Oft führt eine derartige Intervention zu einer Klärung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer die eine oder andere Aussage zutrifft.

„Jetzt kenne ich mich nicht aus… vorhin hast Du erzählt, wie gerne Du in Deiner Werkstatt stehst, welche Freude Dir das macht… und jetzt höre ich Dich sagen, du bist unsicher, ob die Werkstatt das Richtige für Dich ist oder nur ein Hirngespinst? Kannst du mir das nochmals erklären?“

Gesprächsausschnitt aus der Erinnerung

Und weil es so gut passt: Eine Auflistung etlicher Interventionstechniken findet sich im Buch „Idiolektik: richtig fragen“ (Horst Poimann, ISBN 978-3-930823-70-3), ergänzt von kleinen Gesprächsbeispielen.

Interventionen (2)

Interventionen (2)

Wie bereits an anderer Stelle geschrieben, ist ein Gespräch ohne Interventionen undenkbar. Die Interventionstechniken, die wir innerhalb der Idiolektik anwenden, unterscheiden sich hinsichtlich des Grades der Irritation, die sie hervorrufen. Hier sind nun einige Techniken angeführt, die tendenziell kaum Störung hervorrufen und gedacht sind, ein gut fließendes Gespräch durch kleine Anstöße am Laufen zu halten.

Bild von Ylanite Koppens auf Pixabay

Schlüsselworte nachfragen

Für mich ist dies sozusagen der Klassiker schlechthin. Sobald mir ein Wort auffällt, es konkret und vermeintlich unvergänglich ist, kann ich es schon aufgreifen und einfach danach fragen und es mir genauer beschreiben lassen.

„Schabernack?“ – „Ja, halt so Streiche, über die man mehr lacht als sich zu ärgern. So wie Kobolde es wohl machen würden.“ – „Kannst mir so einen Kobold beschreiben?“

Gesprächsausschnitt

Nichtsprachliche Elemente aufgreifen

Der Idiolekt beinhaltet ja nicht nur sprachliche Ausdrücke, sondern das Gesamtpaket aus Ausdruck, also auch z.B. Mimik, Gestik, Idiomotorik oder spontane Lautäußerungen. Auch auf diese kann man sich mit einfachen Fragen beziehen.

„Ja, und dann habe ich halt den ganzen Baum abgeschnitten, also umgeschnitten. Kam unerwartet… (lacht, aber ohne Mund zu öffnen) … aber so ist das nun einmal, manchmal halt (Bewegung beider Hände vom Schoß vor den Bauch, leicht nach außen, Handflächen zeigen nach oben).“ – „Kannst mit noch was zu dieser Bewegung (imitiert die Bewegung der Hände) sagen?“

Gesprächsauschnitt

Individuelle Bedeutung erfragen

Oft gehen wir davon aus, dass wir ein gemeinsames Verständnis mancher Begriffe haben, wie z.B. „klein“ oder „groß“. Oder „Urlaub“, oder „die Sonne scheint“. Sofort entstehen in uns Bilder dazu, die allerdings mit unserer Geschichte zu tun haben, nicht mit der der Anderen. Es lohnt sich nachzufragen, wie denn dieses Wort in den individuellen Kontext unserer Gesprächspartner eingebettet ist – dann und wann zeigt sich Erstaunliches!

„Ich hatte urlang keinen Urlaub mehr, weißt Du… also ich kann … jetzt kann ich ja eh keinen Urlaub nehmen, bin ja nicht angestellt, aber … ich nenne es halt trotzdem Urlaub wenn ich für paar Tage zusperre…“ – „Was bedeutet ‚Urlaub‘ für Dich?“

Gesprächsausschnitt

Sich den Nutzen erklären lassen

Diese Technik hat für mich viel mit der oben angeführten „individuellen Bedeutung“ zu tun, denn auch der Nutzen, den Menschen aus den vermeintlich selben Situationen oder Gegenständen ziehen, unterscheidet sich zum Teil gewaltig voneinander.

„Nun ja, da machte ich, … also … da gründete ich eine eigene Firma, also ein Ein-Frau-Unternehmen. Das war nicht leicht, also … da war ich allein, niemand hat, also… da hat mir kaum jemand geholfen. Aber jetzt… jetzt habe ich oder … bin ich eine eigene Firma, das ist super.“ – „Was ist das Gute daran, eine eigene Firma zu haben oder zu sein?“

Gesprächsausschnitt

Bilder und Metaphern aufgreifen

Wenn Worte nicht ausreichen, Situationen zu erklären, dann kommen Bilder und Metaphern ins Spiel. Sie werden häufig zur Darstellung von Sachverhalten oder Gefühlen genutzt, und es lohnt sich meist, sich die Bilder und Metaphern dann ganz konkret beschreiben zu lassen.

„Du wirst ja… also ich glaube du kennst das ja auch, das Gefühl auf dem falschen Dampfer zu sein. Da passt irgendwie gar nix mehr zusammen.“ – „Kannst Du mir diesen Dampfer mal beschreiben?“

Gesprächsausschnitt

Und weil es so gut passt: Eine Auflistung etlicher Interventionstechniken findet sich im Buch „Idiolektik: richtig fragen“ (Horst Poimann, ISBN 978-3-930823-70-3), ergänzt von kleinen Gesprächsbeispielen.

Interventionen

Interventionen

Das Verb „intervenieren“ bedeutet „in ein Geschehen eingreifen“. Es wird häufig im politischen und gesellschaftlichen Kontext verwendet. Wer interveniert, greift in einen Sachverhalt oder einen Vorgang ein, um eine Änderung zu bewirken.

https://neueswort.de/intervenieren
Bild von Lerkrat Tangsri auf Pixabay

Idiolektik ist vom Pinzip her eine minimalinvasive Form der Gesprächsführung. Minimalinvasiv, weil -so sehr wir uns als Fragenstellende auch an die Worte des anderen halten mögen- wir eine Auswahl treffen und eine Frage formulieren, mit der wir in das Gesprächsgeschehen eingreifen. Kommunikation ohne Intervention ist so gesehen gar nicht möglich.

Wenn wir also schon nicht ohne Intervention auskommen, so sollte diese zumindest möglichst professionell und angemessen ausfallen. Und die Angemessenheit ist situationsabhängig.

Ist das Gespräch gut im Fluss, so sehe ich für mich keine Notwendigkeit, diesen Fluss durch stärkere Interventionen zu stören. Es kann sogar sein, dass sich die erzählende Person im Nachhinein gar nicht an alle Fragen erinnert, da diese sich wie selbstverständlich in den Strom eingefügt haben.

In Situationen, wo sich das Gespräch z.B. im Kreis dreht, nutze ich etwas stärkere Interventionstechniken, die sozusagen als Kristallisationspunkte dienen können. Solche Interventionen sind wie kleine Erhöhungen oder Vertiefungen auf einem ansonsten ebenen Weg, den ich gehen kann, ohne ihm Aufmerksamkeit zu schenken – die Füße marschieren wie von selbst. Komme ich aber an eine kleine Senke oder Erhöhung, wird eine kleine Irritation gemeldet und die Aufmerksamkeit kurz auf den Weg gelenkt, bevor ich wieder meinen Rhythmus finde.

Ein kleines Beispiel: In einem Gespräch äußerte mein Gegenüber immer wieder, wie unsicher er im Umgang mit anderen Menschen sei, betonte aber, dass diese dies aber nie bemerken würden, worauf er mehrmals mit einem gewissen Stolz verwies.

„Und die bemerken es nicht einmal (lacht), ich bin scheinbar ein verdammt guter Schauspieler!“ – „Und wo liegt dann das Problem? Das hört sich doch wunderbar an!“ – (Pause) – „Hmm, nein, es… Das Schauspielen macht mich müde, das mag ich nicht mehr.“

Gesprächsauszug

Durch diese Intervention sah sich mein Gegenüber veranlasst, die provokative Bemerkung richtigzustellen, Stellung zu beziehen und den Sachverhalt genauer zu erläutern. Dass das Schauspielen müde machen würde, war bislang nicht Thema gewesen.

Das Spektrum der Interventionen ist weit. Angefangen bei den sich nahtlos in den Verlauf einordnenden geht es über kleine Irritationen bis hin zu beabsichtigten Provokationen, die schon ein gefestigtes Vertrauen in der Beziehung voraussetzen.

Das Beherrschen von Interventionstechniken kann Gespräche lebendiger machen, und erweitert das Repertoire möglicher Reaktionmöglichkeiten auf das Erzählte.

Ich bin fast versucht zu sagen: Interventionen sind die Gewürze, mit denen wir Gespräche verfeinern können. Das wäre doch mal ein interessanter Gedanke: die Interventionstechniken Gewürzen zuzuordnen. Wer weiß, vielleicht mache ich das einmal…

Eine Bemerkung zum Schluss:

Eine Auflistung etlicher Interventionstechniken findet sich im Buch „Idiolektik: richtig fragen“ (Horst Poimann, ISBN 978-3-930823-70-3), ergänzt von kleinen Gesprächsbeispielen.

Fenster und Türen

Fenster und Türen

Was haben Fenster und Türen mit Idiolektik zu tun? Nun, mit jeder Frage, die ich stelle, lade ich mein Gegenüber dazu ein, einen anderen Raum zu betreten oder zu beschreiben. Nehmen wir als Beispiel eine Sequenz aus einem vorigen Beitrag „Das scheinbar Einfache“:

„Kannst mit einen Kugelschreiber beschreiben?“ – „Naja, der ist aus Holz, so handgedrechselt, den hab ich auf einem Kunsthandwerksmarkt gekauft.“ – „Was gab es da noch auf dem Kunsthandwerksmarkt?“

Gesprächsauszug

Das Wort „Kunsthandwerksmarkt“ ist die Tür in einen anderen Raum, die Frage danach eine Einladung, mich in diesen Raum mitzunehmen. Und so kann ein Gespräch von Raum zu Raum führen, scheinbar ohne Ziel und ohne Ordnung, immer orientiert am Gesagten.

Bild von Manfred Antranias Zimmer auf Pixabay

Manche Räume haben auch Fenster, durch die man in andere Landschaften oder Räume blicken kann, ohne sie aber zu betreten. Es ist schwer in Worte zu fassen, was für mich diesen Unterschied ausmacht… Oft ist es ein Zögern in der Stimmmelodie, das mir anzeigt, dass wie hier metaphorisch vor einem Fenster stehen, nicht vor einer Tür. Es kann sehr hilfreich sein, durch ein Fenster auf etwas zu blicken und es aus sicherer Distanz zu beschreiben.

Manchmal können wir als Fragende helfen, aus dem direken Geschehen herauszutreten, Distanz zu schaffen und den Blick durch ein solches metaphorisches Fenster lenken:

Es ist alles so unglaublich eng und dicht. Da ist… weißt, da ist kaum Bewegung mehr möglich, und Überblick hab ich auch keinen.“ – „Wo müsstest Du sein, um Überblick zu haben?“ – „Keine Ahnung. Weiter weg halt.“ – „Und wenn Du weiter weg bist: wie schaut dieses eng und dicht aus?“ – „Witzig… eigentlich recht klein, ich hätte es mir größer vorgestellt.

Gesprächsauszug

Wie kann man noch einen „Blick durch ein Fenster“ initiieren? Zum Beispiel können wir unser Gegenüber bitten, eine Metapher oder ein Bild für eine belastende Situation zu finden.

(„Eng und dicht“ wurde in dem Gespäch mehrmals wieder aufgenommen) „Da ist es ja schon wieder, dieses eng und dicht!“ – „Wenn Du diesem eng und dicht so nachspürst… und es zeichnen würdest… wie würde dieses Bild wohl aussehen?“ – „Puh… ich kann nicht gut zeichnen. Aber so als erstes kommt mir ein Wollknäuel in den Sinn, also so ein… da sind ganz viele Fäden drin, nicht nur einer. Das sieht man an den, an den vielen Enden, die da so rausschauen überall.“ – „Was sind das für Fäden?“ – „Naja, ziemlich bunt auf alle Fälle. Einige sind dick, andere dünn, wahrscheinlich sind sie auch unterschiedlich lang, aber… aber das lässt sich nicht sehen.

Gesprächsausschnitt

Es fällt oft leichter, über diese entstehenden Bilder zu sprechen – sie sind konkret, man wahrt eine gewisse Distanz. Und wir als Fragende können sicher sein, dass eine oder mehrere Instanzen der/des Erzählenden alle möglichen Querverbindungen zu dem eigentlichen Thema machen.

Dann und wann dürfen wir teilhaben an einem Aha-Erlebnis, wenn plötzlich ein ganz neuer Blick auf etwas ermöglicht wird, und sich neue Spielräume eröffnen. Aber wesentlich öfter sind die Auswirkungen derartiger Gespräche, Bilder und Gedanken erst später spür- und erlebbar, und nicht immer kommen wir in den Genuß einer solchen unmittelbaren Teilhabe.

Auf alle Fälle erlebe ich diese Möglichkeit des „Blickens durch das Fenster“ immer wieder als sehr hilfreich bei Gesprächen. Dieser Abstand kann etwas Leichtigkeit und Entspannung bringen, und damit Zugang zu Verhaltensmöglichkeiten und Ressourcen ermöglichen, die im „mitten drin sein“ rein physiologisch nicht zur Verfügung stehen.

Eine wunderbare Sache, finde ich!