Scheinbare Nebensächlichkeiten I

Scheinbare Nebensächlichkeiten I

Es gibt so viele Aspekte, die das Gelingen eines Gespräches beeinflussen. Einige sind ganz banal, andere ein bisserl komlizierter, manche waren für mich unerwartet. Kurzum, in dieser losen Serie „Scheinbare Nebensächlichkeiten“ möchte ich ungeordnet und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Dinge erwähnen, mit denen wir uns das Leben und gelingende Kommunikation leichter machen können, und auch mögliche Hintergründe und Erklärungsmodelle (die ich mir so aus verschiedenen Quellen zusammengereimt habe) für einige „idiolektische“ Techniken und Rahmenbedingungen liefern.

Bild von Eduardo Ruiz auf Pixabay

Wieso sitzen wir nebeneinander?

In idiolektischen Gesprächen sitzen wir meist eher nebeneinander als einander gegenüber (was bei ZOOM-Gesprächen natürlich nicht so ganz funktioniert). Das mag zu Beginn irritierend sein, aber mittlerweile genieße ich es.

Gemeinsam das Bild betrachten
Mir gefällt die Vorstellung gut, dass im Laufe eine Gespräches ein Bild entsteht, ein Gemälde, und mein Gegenüber (also eigentlich mein „Nebenmir“, aber ich bleibe beim „Gegenüber“) und ich nebeneinander sitzend auf dieses sich entfaltende Werk blicken.

Dann und wann stellt sich bei mir dann ein Gefühl ein, wie ich es von z.B. Wanderungen kenne: wenn wir nebeneinander nach einem Aufstieg stehend oder sitzend rasten und ohne Worte, in einer Art stillem Einverständnis, die Landschaft betrachten. Diese Art der Nähe finde ich wunderbar.

Sein können wie ich jetzt gerade bin
Idiolektik ist bemüht, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem mein Gegenüber möglichst ohne Sorge all das zeigen und aussprechen kann, was sich in diesem Hier und Jetzt eben zeigen und Gehör verschaffen mag. Und das fällt mir leichter, wenn ich vor mir einen freien Raum sehe. Gesichter und Augen üben auf uns einen fast unwiderstehlichen Reiz aus, ziehen unseren Blick auf sich. Und es scheint auch so zu sein, dass, wenn wir Augen auf uns gerichtet sehen, wir uns beobachtet fühlen und eher Erinnerungen und Ideen kommunizieren, die wir als gesellschaftlich akzeptabel ansehen. Dazu gibt es ja mehrere nette Experimente. Das wohl bekannteste ist das folgende:

Ein Kaffeeautomat in einer Kantine, daneben eine Box, in die die KaffetrinkerInnen die ihnen angemessen erscheinenden Beträge einwerfen. Eine Woche lang hing über dieser Box (ich habe neulich gelesen, dass diese im Englischen „honesty box“ heißt – welch schöne Bezeichnung!) ein neutrales Bild – Landschaften, Blumen. In der nächsten Woche dann ein Augenpaar, oder die Großaufnahme eines zugewandten Gesichts. Dieses Spiel wurde über einige Wochen wiederholt und am Ende jeder Woche ein Kassasturz gemacht. Ergebnis: Allein durch das Anbringen von „Augenbildern“ bezahlten die KaffeetrinkerInnen im Schnitt den 2,75-fachen Betrag für ihre Getränke.

Die Freiheit, plaudern oder einfach gehen zu können
Idiolektische Gespräche sind des Öfteren von einer Leichtfüßigkeit getragen, die durchaus auch bei großen Themen eher an eine angelegentliche Plauderei erinnert. Bei mir ist es jedenfalls tatsächlich so, dass so eine Plauderstimmung sich eher in einem Nebeneinander- als in einem Gegenübersitzen einstellt.

Ein Gedanke, den einer meiner Lehrerinnen äußerte ist: wenn vor mir der Raum frei ist, habe ich eher das Gefühl, jederzeit aufstehen und einfach gehen zu können, als wenn mir gegenüber jemand sitzt. Das mag dazu führen, dass unser Gegenüber sich vielleicht weniger eingeengt fühlt, und somit in einem entspannteren Gesamtzustand ist.

Und ein solcher ist halt ungemein hilfreich…

Übungsgruppen-Gedanken: Reflexions- und Feedbackrunden

Übungsgruppen-Gedanken: Reflexions- und Feedbackrunden

Eine der größten Lernmöglichkeiten in Übungsgruppen ergeben sich durch die Runden nach einem Gespräch. In diesen Runden können Fragen gestellt oder Hypothesen geprüft werden. Wir können erzählen, was das Gehörte in uns bewegt hat, und einbringen, wie wir an dieser oder jener Stelle gefragt oder im Gespräch weitergegangen wären.

Bei diesen Runden lege ich großen Wert auf gewisse Regeln – ich habe das eine oder andere Mal erlebt oder miterlebt, wie zu sorglos moderierte Runden sich nachteilig oder verletzend ausgewirkt haben, und dieses Risiko will ich vermeiden. Das Gespräch findet in einem geschützten Rahmen statt, und diesen Schutz möchte ich auch auf die Nachbesprechung ausgeweitet wissen.

Dabei mischt sich ja oft zweierlei: Einerseits die Gedanken, Gefühle, Bilder, die das Erzählte bei mir als Zuhörer ausgelöst hat, andererseits technische Fragen in Richtung der fragenden Person. Das schöne ist: wir müssen hier nicht differenzieren, denn die Art des Feedbacks bleibt gleich – eigentlich ist es ja Ausdruck einer respektvollen, eigenverantwortlichen Grundhaltung.

Was sind nun also diese Regeln?

„Wenn Ihr eine Rückmeldung gebt: sagt sie dem Coach des Gesprächs, also mir. Die beiden hier (also ErzählerIn und FragerIn) sollen die Freiheit haben, zuhören oder ihren eigenen Gedanken nachhängen zu können. Und wenn ihr sie nun direkt ansprecht oder befragt, dann ist das nur schwer möglich. Wenn Ihr das ganz besonders sauber machen wollt: schaut dabei mich an und redet von den beiden hier in der dritten Person.“

Soll ein gutes Gespräch, das vielleicht sogar hilfreiche neue Blickwinkel auf Situationen beinhaltete, innerlich gut weiterwirken können, dann braucht es eine Weile Ungestörtheit. Nun ja, ganz ungestört sind wir ja in der Übungsgruppe nicht, aber durch diese Wahl der Adressierung geben wir doch zumindest ein gewisses Maß an Wahlfreiheit.

„Bleibt immer bei Euch. Bei den Feedbacks erzählt ihr von Euch, von Euren Beobachtungen und Wahrnehmungen. Versucht zu unterscheiden, was ihr z.B. gesehen habt und was Eure Wahrnehmung, Eure Interpretation dazu ist. „

Diese Regel habe ich im Authentic Movement als „Zeugenschaft“ kennengelernt und 1:1 in unsere Runden übernommen. Wenn ich dezidiert von meinen Wahrnehmungen erzähle, dann ist die Gefahr geringer, Zuweisungen zu machen. „Da war der Erzähler traurig“ kann beim Erzähler Widerspruch hervorrufen, wenn er die Situation anders in Erinnerung hat – Ein „Ich hatte den Eindruck, dass der Erzähler da traurig war“ dagegen kommt ganz anders an, es stülpt dem anderen nichts über.

Und wenn wir diese kleine Sequenz noch verfeinern wollen, könnten wie noch die Beobachtung von der Wahrnehmung trennen: „Ich habe gesehen, dass der Erzähler Tränen in den Augen hatte. Die Stimmer ist leiser geworden an dieser Stelle. Ich hatte den Eindruck, er war traurig.“

Und noch einen Grad feiner wird das Feedback, wenn ich noch weiter in mich hineinlausche und von meinem eigenen Mit-Erleben („präverbale Wahrnehmung“, die Spiegelneuronen lassen grüßen!) erzähle. Dann könnte aus dem „Ich hatte den Eindruck, er war traurig“ ein „Da habe ich in mir so etwas wie Traurigkeit gespürt.“

Und wenn ich eine Frage zur Gesprächsführung habe, dann kann ich das ja auch ganz wunderbar mit diesen Regeln machen. Mal ein plakatives Beispiel (das tatsächlich einmal in etwa so geäußert wurde): „Du hast ja gar keine idiolektischen Fragen gestellt!“. Das ist alles andere als wertschätzend, finde ich. Wie kann man das entschärfen? Zuerst einmal dadurch, dass man nicht den Befragenden selbst adressiert (Regel 1) und durch eine differenzierte Darstellung des Sachverhalts: „Die Fragen griffen Worte auf, die aus dem Problemkontext stammen.“. Dies gekoppelt mit einer Verbalisierung der eigenen Vorstellung „Ich habe im Kopf, dass wir in der Idiolektik immer schauen, auf die Sonnenseite zu kommen.“ führt dann zur einfachen, klassisch-idiolektischen Frage „Kannst Du mir dazu etwas sagen?“. Diese Frage kann dann entweder der Coach direkt beantworten, oder er gibt sie an die fragende Person weiter. Ich finde, das fühlt sich doch schon ganz anders an, oder?

Die dritte Regel stammt ebenfalls aus dem Authentic Movement:

„Das Gespräch dauerte 20 Minuten, d.h. wir haben knapp 20 Minuten Zeit für die Runde. Es wird nicht länger über eine Gespräch geredet, als es gedauert hat.“

Mit hilft diese Regel sehr, da so vermieden wird, dass etwas „zerredet“ wird. Wenn in der Runde eine technische Frage angesprochen wird, deren Beantwortung längere Zeit in Anspruch nehmen würde, notiere ich sie und beantworte sie im Anschluss an die Runde.

Ja, das war es auch schon. Für mich sind diese Regeln haltgebend und eine gute Übung für differenzierte Beobachtung. Darum werde ich sie wohl beibehalten…

Übungsgruppen-Gedanken: Rollenklärung „ZuhörerInnen“

Übungsgruppen-Gedanken: Rollenklärung „ZuhörerInnen“

Nachdem ich ja im letzten Beitrag paar Gedanken zu den Rollen „ErzählerIn“ und „FragestellerIn“ zu Papier (im übertragenen Sinne – wie lautet das Pendant zur digitalen Welt? Zu Byte bringen?) gebracht habe, möchte ich mich jetzt den übrigen TeilnehmerInnen widmen: Den ZuhörerInnen.

Bild von Manfred Antranias Zimmer auf Pixabay

Dass die Gespräche nicht durch Zwischendurchfragen oder geflüsterte Unterhaltungen mit den Sitznachbarn gestört werden, ist ein Gebot der Höflichkeit, und es ist sehr selten, dass ich daran erinnern muss.

Wenn es keine besonderen Aufgaben gibt (manchmal gebe ich paar Anregungen mit) lade ich dazu ein, einfach zuzuhören, und verweise auf die Möglichkeit, im Anschluss des Gesprächs Fragen dazu zu stellen.

„Ihr alle anderen könnt einfach zuhören und genießen. Vielleicht macht ihr Euch Notizen, denn nach dem Gespräch könnt Ihr Eure Fragen dazu stellen oder Beobachtungen mitteilen. Auf welche Weise das geschieht, sage ich Euch dann, wenn es soweit ist – da lege ich Wert auf gewisse Umgangsformen, aber davon später mehr.“

Mir ist wichtig, dass das Gespräch selbst ungestört durch spontane Einwürfe oder Fragen der ZuhörerInnen stattfinden kann. Bei längeren Gesprächen kann es zwar vorkommen, dass wir (die FragerIn und ich als Coach) Vorschläge der Gruppe einholen, was die nächste Frage angeht, aber das ist eher die Ausnahme.

Und ganz allgemein erinnere ich auch daran, dass das hier und jetzt Gesprochene in diesem Kreis bleibt, es fällt sozusagen unter die nichtärztliche Schweigepflicht.

Am Anfang beschließen wir auch gemeinsam, wie viel Zeit wir für ein Gespräch anberaumen. In den Übungsgruppen sind das meist so zwischen 10 und 20 Minuten. Ich denke, das ist für alle gut zu wissen.

Wie bereits oben angedeutet, mache ich manchmal Vorschläge, worauf die Zuhörenden besonders achten können, z.B.

„Achtet mal vor allem auf das Tempo des Gespräches und auf die Pausen. Was geschieht, wenn sich da was ändert?“

Das Tempo eines Gesprächs liefert oft Hinweise, „wo“ wir uns im Gespräch gerade befinden. Da ist eine solche Aufgabe eine nette Übungsgelegenheit.

„Es gibt ja immer wieder Worte, die sozusagen aufleuchten, so Lichtpunkte, die Euch besonders auffallen. Macht Euch mal den Spaß und schreibt Euch einige davon auf.“

Im Anschluss an das Gespräch schauen wir uns dann diese Worte an und überlegen, was wohl das Besondere an diesen Worten sein könnte. Der Klang? Stößt es eigene Erinnerungen an?

„Versucht mal, vor allem auf die Gestik zu achten, wann diese lebendig oder eher verhalten auf euch wirkt. Wann lädt die Gestik Euch dazu ein, sie in eine Frage zu verpacken? Und wie würdet ihr das machen?“

Es ist immer wieder interessant, wie stark wir Gesten sofort mit Interpretationen verbinden. Eine Bewegung für sich zu beschreiben ist gar nicht so einfach.

Nach den Gesprächen gibt es ja immer eine Runde, in der wir über das Gespräch reflektieren. Natürlich ist es ja so, dass wir Hypothesen, also Annahmen über die erzählende Person bilden. Das lässt sich ja nicht vermeiden, wir ticken halt so. Und diese Runden können wir nutzen, uns auch über unsere Hypothesen auszutauschen.

Dieses Äußern von Hypothesen, v.a. nach einem vielleicht berührendem Gespräch, braucht einen sicheren Rahmen. Auf den werde ich im nächsten Teil dieser Miniserie zu schreiben kommen.

Aber wenn dieser Rahmen gegeben ist und die erzählende Person uns Rückmeldung geben kann, wieweit diese Hypothesen aus ihrer Sicht zutreffen oder eben nicht: wow, wie viel wir da doch lernen können über unsere Wahrnehmung und wie sie geprägt ist durch unsere eigene Geschichte und Erfahrungen.

Das immer mal vor Augen geführt zu bekommen kann sehr heilsam sein.
Finde ich.

Übungsgruppen-Gedanken: Rollenklärung „ErzählerIn und FragestellerIn“

Übungsgruppen-Gedanken: Rollenklärung „ErzählerIn und FragestellerIn“

Seit Februar 2021 biete ich eine Übungsgruppe an. Dank Corona bzw. den verstärkt angebotenen Onlineangeboten anderer GruppenleiterInnen konnte ich meinerseits an anderen Übungsgruppen teilnehmen, die mir in der analogen Welt verwehrt geblieben wären. Welch eine Vielfalt im Umgang mit ein und dem selben Thema! Ich hatte also eine Menge Gelegenheit, die unterschiedlichen Stile zu vergleichen und mir Gedanken darüber zu machen. Diese Gedanken möchte ich an dieser Stelle in einer losen Serie teilen. Pro Beitrag greife ich mir einen Aspekt heraus – ungeordnet, ohne System, unvollständig, wie’s mich gerade anlacht.

Bild von Susanne Jutzeler, Schweiz, auf Pixabay

Mir ist wichtig, dass die Rollen gut definiert sind, und dass die TeilnehmerInnen die Regeln kennen, nach denen hier „gespielt“ wird. Vor allem für AnfängerInnen werde ich nie müde, dies zu wiederholen:

„Wenn Du befragt wirst, dann heißt das nicht, dass Du alle Fragen auch beantworten musst. Wenn Du eine Frage nicht beantworten magst, dann sage einfach ‚Das mag ich nicht beantworten‘. Und: es gibt keine Themenverfehlungen. Wenn eine Frage nach z.B. einem Apfelbaum kommt, Du aber in Gedanken gerade bei Deiner letzten Bergwanderung bist, dann erzähle von der Bergwanderung. Es ist mir wichtig, dass Du weißt, dass Du auf diesem Stuhl alle Freiheiten hast. Die Fragen sind vielleicht Ideen, Denkanstöße, nicht mehr. Und wenn Du den Eindruck hast, dass Du dabei bist, etwas zu Privates anzusprechen, überlege einfach kurz, ob das diesen Grad an Öffentlichkeit -wir sind hier halt eine ganze Gruppe an Menschen, die üben wollen- auch gut verträgt.“

Die Erzählerin oder der Erzähler sollen sich frei fühlen, auszusprechen, was ihnen im Kopf herumgeht, und sich nicht drängen lassen, Dinge von sich preiszugeben, die sie lieber für sich behalten wollen. Die Technik und Haltung der Idiolektik ist dazu angetan, sehr rasch ein vertrauliches Umfeld zu schaffen, und ich habe dann und wann erlebt, dass dieses vertrauliche Miteinander dazu verleitet hat, sehr Privates zu erzählen – was dann nach dem Auftauchen aus dieser vertrauten Zweisamkeit in die größere Öffentlichkeit der Gruppe gemischte Gefühle verursachte.

Es ist allerdings auch immer wieder der Fall, dass die fragende Person durch Rückmeldungen verunsichert ist – es ist ja doch eine ziemlich exponierte Position. Daher ist es mir ein großes Anliegen zu klären

„Super, dass Du Dich auf diesen Stuhl gesetzt hast. Ist ja auch nicht immer einfach. Wenn Du nun Fragen stellst, dann kann es dann und wann vorkommen, dass Du nicht so recht entscheiden kannst, wie es weitergehen könnte. Dann wende Dich einfach eine Deinen Coach. Dafür ist er ja da. Erinnere Dich an die Technik. Frage Dich, an welche Worte Du Dich erinnerst, greife ein Wort auf und frage danach. Wenn dein Gegenüber eine Frage nicht beantworten mag – nimm’s nicht persönlich. Nur weil eine Frage technisch korrekt ist, muss sie deswegen noch nicht gut sein. Dein Gegenüber zeigt damit ja auch, dass er gut für sich sorgen kann und das Vertrauen hat, dass Du damit umgehen kannst. Und: wir sind eine Übungsgruppe. Üben heißt Ausprobieren, Verfeinern, Rückfragen. Und ja, es heißt auch, dass wir Fehler machen dürfen. Dafür sind wir ja hier.“

Das war mal sozusagen die Einleitung. Dann geht es darum festzulegen, wie wir, die fragende Person und ich als Coach, miteinander an die Sache rangehen wollen.

„Ich als Coach sitze neben Dir und wir können uns gerne immer wieder mal beraten. Wenn Du Dir unsicher bist, unterbreche das Gespräch mit einer kleinen Geste, dann können wir plaudern und die nächste Frage entwickeln. Wie wollen wir das machen? Magst einfach ausprobieren und Dich nur dann an mich wenden, wenn Du unsicher bist? Oder magst lieber nach jeder Frage kurz innehalten und mit mir reden? Beides ist gut. Und: solltest Du meiner Ansicht mal komplett daneben liegen mit einer Frage, dann werde ich Dich kurz unterbrechen, damit wir uns wieder auf idiolektisches Gebiet begeben können.“

Auch für Menschen, die immer wieder in Gruppen kommen, kann es eine Herausforderung sein, sich so zu exponieren. Nicht nur die erzählende Person benötigt einen sicheren Rahmen, auch die Fragestellerin, der Fragesteller. Und ein Weg ist einerseits, das Setting zu klären, wie wir das miteinander angehen wollen, und andererseits, daran zu erinnern, dass wir hier üben, und dass auch die Person, die auf dem anderen Stuhl sitzt, weiß, dass hier geübt wird.

Oft blockieren uns ja unsere Vorstellungen von einem perfekt zu führenden Gespräch die Wahrnehmung und Erinnerung – es mag entspannend sein, sich an den Übungscharakter zu erinnern, und auch daran, dass da jemand ist, der oder die einschreiten kann, wenn es mal wirklich nötig sein sollte.

Nachdem das dann geklärt ist, kann es losgehen. Es ist für mich persönlich hilfreich, den Rahmen zu kennen, innerhalb dessen wir uns bewegen – da ist es unerheblich, in welcher Rolle ich mich dabei in einer Gruppe befinde. Die Kenntnis der Regeln, der „Do’s and Don’ts“ in einer Gruppe, gibt mir irgendwie ein gutes Gefühl. Wenn ich also auf diesen Erklärungen so herumreite, dass einfach, weil ich damit gut für mich selbst sorge.

Wer hört da gerade zu?

Wer hört da gerade zu?

Wer hört da zu, wenn „ich“ eine an mich gerichtete Frage höre? Nun ja, natürlich „ich“, oder? Aber dieses „ich“ ist ja kein beständiges, sich gleichbleibendes Etwas, sondern ein fein aufeinander abgestimmtes Mit- und auch Gegeneinander verschiedener Instanzen. Und die verfolgen durchaus ihre eigenen Interessen, haben aber als übergeordnetes Ziel, „mein“ Leben gut und sicher gestalten wollen.

Bild von Roy Buri auf Pixabay

Das Spannende daran ist, dass viele dieser Instanzen quasi das Licht der Öffentlichkeit scheuen und unterhalb unserer Bewusstseinsgrenze agieren. Manchmal stelle ich mir das vor wie eine Höhle, nur am Eingang ist Licht. Und in dieser Höhle sind alle diese Instanzen des „ich“ versammelt. Im Dunkel wird ständig gemauschelt, Verträge und Bündnisse geschlossen und verworfen, Kontrollen durchgeführt und so weiter. Die „Ichs“ vorne am Eingang, am Licht, bekommen davon üblicherweise nichts mit. Sie denken, sie würden selbst bestimmen, wie sie handeln, reagieren und entscheiden. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass sie sich irren.

Wir wissen ja aus den Neurowissenschaften, dass Erinnerungen in Netzwerken gespeichert sind und dort wieder aufgerufen und wiedergegeben werden können – z.B. das episodische Gedächtnis, unser Lebensfilm, oder das Netzwerk, in dem unser Faktenwissen gespeichert ist. Diese Netzwerke sind neokortikal, damit auch der Sprache zugänglich.

Dann gib es aber auch Erinnerungsnetzwerke, die sich dem Bewusstsein oder der Sprache entziehen. z.B. das prozedurale Gedächtnis, in dem unsere erlernten motorischen Fähigkeiten abgelegt sind: gehen, Fahrrad oder Auto fahren, eine Schleife binden. Diese Netzwerke befinden sich im Zwischenhirn und funktionieren jenseits der Sprache – deswegen fällt es so schwer, zu erklären, wie man Fahrrad fährt oder eine Schleife bindet.

Und episodische Erlebnisse, die potentiell gefährdend sind, werden zusätzlich noch im Netzwerk der Amygdala gespeichert. Wohl um den Wiedererkennungswert zu steigern (um gegebenenfalls rasch reagieren zu können), werden auch viele Details dieses Erlebnisses mit registriert: war da ein Geruch? Eine Farbe? Ein Gesichtsausdruck? Wie war mein Herzschlag? Und dieses Netzwerk begleitet uns stets. Wenn wir z.B. einen Raum voller Leute betreten – im Zwischenhirn rattern die Kontrollroutinen los, die Umgebung wird abgescannt, um etwaige Zeichen von Gefahr zu erkennen. Da reicht es vielleicht, dass jemand meinem Lehrer ähnlich schaut, der mich einmal vor versammelter Klasse zur Schnecke gemacht hat, um in mir den Impuls zu wecken „Vielleicht wäre es besser, doch wieder zu gehen.“. Die Ichs am Höhleneingang, also meine bewussten Wahrnehmungen, bekommen von dieser betriebsamen Hektik in den Tiefe der Höhle nichts mit und können sich ev. keinen Reim darauf machen. „Sind doch eh alles nette Leute hier.“, sagen sie zueinander, „Ich weiß gar nicht, was wir haben.“

Was hat dies mit Idiolektik zu tun? Für mich jedenfalls ist es hilfreich, mir vor Augen zu halten, auf welcher Ebene sich das Gespräch gerade bewegt. Sind wir auf der Ebene neokortikaler Erinnerungen? Hier fällt das Sprechen vielen Menschen leichter, da diese Netzwerke der Sprache zugänglich sind. Oder sind wir auf der Ebene des Zwischenhirns, das sich der Sprache entzieht? Denn wenn hier Erinnerungen an die Oberfläche kommen, lösen sie oft Empfindungen aus, die nicht erklärbar scheinen. Da ist es hilfreich, in die Bilderwelt zu gehen, diese aber wie Traumbilder zu behandeln: sie haben nichts mit „Logik“ zu tun. Da darf schon einmal ein Wal durch die Galaxis schwimmen, ohne dass darum großes Aufheben gemacht wird.

Und wenn gerade die Instanzen, die in und um der Amygdala werken, wachgerufen wurden, dann kann es sein, dass sie alle anderen Instanzen mundtot machen und kurzfristig die alleinige Herrschaft an sich reißen. In einer solchen Situation ist der Spielraum dieser Person stark eingeschränkt, worauf ich bei meinen Fragen Rücksicht nehmen muss.

Wie bei den Archaische Relikte erwähnt, mag es dann und wann hilfreich sein, mögliche Erklärungsmodelle zu erläutern. Aber dies ist nicht immer nötig. Oft reicht es, einfach die Bilder herzunehmen und ausmalen zu lassen. Wir müssen nicht kognitiv verstehen, was sie bedeuten. Wirken tun sie allemal. So meine Überzeugung.


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Wieso ich nicht nur kurze Fragen stelle?

Wieso ich nicht nur kurze Fragen stelle?

Wie an anderen Stellen beschrieben, ist es ein Merkmal der Idiolektik, kurze, konkrete und offene Fragen zu stellen. So habe ich es gelernt, so gebe ich es wieder, wenn ich die Technik vermittle. Doch bei genauerer Beobachtung ertappe ich mich immer wieder dabei, das „kurz“ zu vernachlässigen. In Ergänzung zum vorherigen Beitrag Warum ich kurze Fragen so liebe fasse ich mal paar Gedanken sozusagen zur Gegenposition zusammen, die mir so einfallen. Angelehnt an diesen vorherigen Beitrag ist eine „kurze“ Frage die, die nur eine Phrase aus dem Angebot herausgreift.

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn ich ein Gespräch mit einem Spaziergang vergleiche, ohne festes Ziel die Gegend durchstreifend, kommt man doch immer wieder an Stellen, die zum Verweilen einladen. Man bleibt stehen, schnauft vielleicht ein, zwei Mal tief durch und lässt den Blick schweifen. Im Gespräch scheint es mir ähnlich zu sein – es gibt Sequenzen, die so ein Innehalten spüren lassen. Genauer gesagt: ich als Zuhörer habe die Hypothese, dass hier ein „guter“ Platz zum Verweilen ist. Und muss daher bereit sein, diese Hypothese sofort fallen zu lassen, wenn sie sich als falsch heraus stellt.

„Was geht Dir grad durch den Kopf?“

„Dass ich gerade ziemlich k.o. bin, müde. Ich habe viel gearbeitet die letzten Wochen, und das hat mir nicht gut getan.“

„Hmm… was tut Dir gut?“

„Naja, dass es jetzt vorbei ist, also so diese große Anstrengung, jetzt kann ich wieder runterschalten.“

„Runterschalten?“

„Ja, runterschalten. Das war schon ziemlich anstrengend, diese letzte Zeit… Viele Überstunden, dabei, also eigentlich habe ich ja meine Arbeitszeit reduziert. Aber es war wichtig, der Kunde war schon ziemlich sauer wegen verschiedener Verzögerungen, also hab ich mir halt eingebildet, da reinspringen zu müssen. (Pause, dann langsamer weiter) Jetzt habe ich guten Kontakt zum Kunden, es ist klar was zu tun ist… das ist gut. Da kann man Sachen umsetzen, jetzt, wo das klar ist. Ja, das ist gut… und tut auch gut irgendwie.“

„Was braucht es, damit etwas gut ist?“

„Naja, Kontakt halt und zu wissen… also sich geeinigt zu haben, was zu tun ist.“

„Und wenn Du Kontakt hast und ihr wisst was zu tun ist…?“

„Dann kann ich endlich mit der Umsetzung beginnen. Wir hatten schon zwei Anläufe gemacht, aber die Konzepte waren einfach Käse… Aber jetzt…“

„Und wenn Du weißt was zu tun ist und mit der Umsetzung beginnst…“

„Hach, das ist einfach ein gutes Gefühl. Ich mache einen Teil, also einen kleinen Part des Formulars, schicke das dem Kunden, gemeinsam bessern wir nach… und so geht´s weiter. Weißt Du, es ist echt schwierig oder fast unmöglich, ein Konzept für ein komplexes Formular zu machen, so am Papier, aber so, wie wir das jetzt machen, Schritt für Schritt, das hat was. Macht fast Spaß!“

Sind die Fragen anfangs tatsächlich kurz bis sehr kurz, greife ich bei den letzten beiden Fragen jeweils zwei Phrasen auf, reihe sie aneinander und gebe damit eine Richtung vor – es erschien mir im gegebenen Kontext ganz natürlich, diesen „Faden“ weiter zu verfolgen.

Manchmal nutze ich längere Fragen auch dazu, mir Bilder, Erinnerungen oder Szenerien genauer bis ins Detail beschreiben zu lassen – wenn laut meiner Hypothese mein Gesprächspartner dadurch Ressourcen aktivieren kann. Mir geht es jedenfalls dann und wann so, dass ich mit jeder weiteren Beschreibung eines stärkenden Bildes, einer positiven Erinnerung irgendwie innerlich aufgerichteter werde, anders kann ich es nicht ausdrücken.

„Da bin ich dann aufgestanden und hab mir gedacht, wow, das hast Du aber gut hinbekommen!“

„Und wie war das?“

„Einfach gut.“

„Woran hast Du das gemerkt, dieses ‚Gut‘?“

„Hmm… ich glaub, ich war… ich bin richtig energiegeladen aufgestanden, so in der Stimmung ‚Jetzt packe ich es an‘!“

„Wie kann ich mir so ein ‚energiegeladen aufstehen‘ vorstellen?“

„Naja, so mit Schwung halt… Ich glaube, ich habe mich mit den Armen richtig rauskatapultiert!“

„Also mit Schwung, und mit den Armen rauskatapultiert… Was war da noch?“

„Na Du fragst… also so Sachen… Na gut, was war da noch… Als ich dann gestanden bin, habe ich die Schultern nach hinten gezogen, also nach oben und dann nach hinten, so ein Schulterkreisen…“

„Schwung, rauskatapultieren, Schulterkreisen… fällt Dir noch was ein?“

„Ja, genau, ich hab dann noch so eine Bewegung mit den Händen gemacht, mit den Armen… so ungefähr.“ (Zeigt eine Bewegung vor: Die Ellenbogen sind am Körper, Unterarme angewinkelt, lockere Fäuste vor den Schultern, dann machen die Unterarme eine Bewegung erst nach innen, vor die Brust, dann nach unten und schließlich mit einem Strecken der Arme nach vorne und etwas nach außen, wobei die Fäuste sich fester ballen).

„Wenn Du jetzt so an den Schwung denkst, daran, wie Deine Arme Dich rauskatapultiert haben, Du Deine Schultern kreist und dann diese Bewegung machst… was ist dann?“

„Witzig… (Lacht) Ich fühle mich belebt. Fast so wie damals…“

Ich kann mir vorstellen, dass mit jedem neuen Aspekt, der dieser Schilderung hinzugefügt wird, sich das Bild dieser Szene verstärkt und jenes Netzwerk an Neuronen im Gehirn, welches diese Szene speichert, ebenfalls gefestigt wird. Und ich möchte gerne glauben, dass dies dann dazu führt, dass eben dieses Netzwerk in Zukunft wieder ein kleines bisschen leichter angezapft werden kann, wenn es darum geht, sich an bestärkende Erfolgserlebnisse zu erinnern.

Warum ich kurze Fragen so liebe

Warum ich kurze Fragen so liebe

Ein „klassisches“ idiolektisches Gespräch verfolgt ja kein thematisches Ziel, sondern bietet die Möglichkeit, nach Lust und Laune fabulierend von Thema zu Thema zu springen – im Gegensatz zu einem Beratungsgespräch, wo ich als Gesprächsleiter tatsächlich einem Thema verpflichtet bin. In der Praxis erweist sich diese Themenoffenheit als gar nicht so einfach. Wir sind viel zu sehr gewohnt, einem Erzählstrang zu folgen und entsprechende Fragen zu stellen.

Bild von LoggaWiggler auf Pixabay

Was kann uns dabei unterstützen, diese Themenoffenheit zu fördern? Mir fallen ad hoc zwei Möglichkeiten ein: Erstens, nach Dingen zu fragen, die wie Nebenbei gesagt wurden und möglichst weit vom eigentlichen Thema liegen. Und zweitens eben, sehr kurze Fragen zu stellen. Schauen wir uns einfach mal das eine oder andere Beispiel für Letzteres an.

„Dann habe ich die Holzstücke also so vor mir liegen, und weiß noch nicht, was sie werden wollen. Das ist dann so ein Herantasten, ich lege sie um, schaue sie mir von verschiedenen Seiten an, das kann dann schon Mal paar Wochen dauern, bis ich weiß, was ich daraus machen werde.“

Eine Frage könnte lauten „Und wenn Du Dich herangetastet hast und weißt, was du daraus machen wirst… was ist dann?“ Eine wunderbare Frage, die allerdings eine Wechsel des Erzählstranges nicht unbedingt einfach macht. Denn indem ich zwei Phrasen herausgreife und in einer Frage verbinde, gebe ich bildlich gesprochen schon eine Linie vor. Wir könnten es auch verkürzen und den Kontext weglassen und nur fragen „Und wenn Du dich herangetastet hast… was ist dann?„. Oder, noch stärker verkürzt: „Herantasten… kannst dazu noch was sagen?„.

„Jetzt habe ich gerade mit Weinbergpfirsichen und Feigen experimentiert. Feigenmarmelade ist fad irgendwie, da habe ich dann halt noch Orange dazugegeben, Schale und Saft, und das schmeckt voll genial. Und aus den Weinbergpfirsichen habe ich ein Chutney gemacht, da hab ich noch nicht viel Erfahrung, aber schmeckt auch voll gut.“

Natürlich liegt die Frage „Wie machst Du so ein Chutney aus Weinbergpfirsichen?“ schon fast auf der Zunge – wunderbar Schlüsselworte aufgreifend, den anderen etwas erklären lassen, das ihm sichtlich gelungen ist… Wie kann man da noch etwas verkürzen? z.B. mit einer ganz allgemeinen Frage „Was ist so ein Chutney?“ (Warum nicht das „genial“ aufgreifen? Der Erzähler schien stolz darauf zu sein, dass das Chutney voll gut schmeckt, obwohl er noch nicht viel Erfahrung hat)

Mir fällt gerade auf, dass beide Beispiele mit der verkürzten Fragestellung das Gespräch auf eine ganz andere Ebene führen können. War die der Frage vorangegangene Sequenz eher aus dem episodischem Gedächtnis gespeist (dort, wo unsere Lebenserinnerungen aufgehoben sind, der „Film unseres Lebens“), führen die Fragen in eine Ebene der Verallgemeinerung, der Reflexion. Das war mir in dieser Form vorab nicht klar – auf was man nicht alles draufkommt, wenn man darüber schreibt!

Wenn ich also lieber weiter beim episodischen Gedächtnis bleiben will (etliche Menschen tun sich leichter, hier ins Erzählen zu kommen), könnte ich beim Herantasten ev. eher fragen „Von wo kennst Du dieses Herantasten noch?„, und beim Chutney könnte ich „Wie hast du das Chuntney gemacht?“ nachfragen.

Meine Güte, an was man alles denken kann… Mir taugt’s!

Wie wirken sich idiolektische Gespräche für Dich als Begleiter aus?

Wie wirken sich idiolektische Gespräche für Dich als Begleiter aus?

Diese Frage kam vor einigen Tagen per Mail – Tilman Rentel, der Ausbildungsleiter der Graduiertenausbildung, hatte sie rumgeschickt und um Antwort gebeten. Da wir uns ja meist mit den Auswirkungen der Gespräche auf unseren Gesprächspartner beschäftigen, finde ich es einen netten Gedanken, mal den Blick nach innen bzw. auf mich zu richten. Eine Innenschau gewissermaßen. Den folgenden Text habe ich viel nachzudenken niedergeschrieben, und beschloss dann, ihn so stehen zu lassen. Obwohl es mir schwer fiel – zu ungeordnet folgen manche Gedanken einander, zu wenig schlüssig mögen manche Stellen sein. Sei’s drum. Lediglich Tippfehler bemühte ich mich auszubessern.

Bild von Andre Mouton auf Pixabay

Das erste, das mir einfällt, ist Berührtheit. Stille im Gespräch nach Äußern eines Gedankens; Momente, in denen etwas scheinbar Kleines zu etwas Großem, Bedeutungsvollen heranwächst. Das ist wunderschön zu erleben. Aber auch zu hören oder sogar irgendwie zu spüren, welche Schwierigkeiten mein Gegenüber zu bewältigen hat, welche Wertvorstellungen ihn oder sie antreiben, das Leben zu meistern, berührt mich oft.

Und ich empfinde viele Gespräche als Bereicherung, ich darf teilhaben an so vielen verschiedenen Blicken auf die Welt, darf durch die Erzählungen so viel Neues erfahren. Die Welt erscheint mir dann wieder ein Stück wunderbarer, und ich staune, über was sich Menschen alles Gedanken machen können.

Mir fällt ein Satz ein – ich weiß nicht, woher er stammt, ev. Seneca oder Cicero, aber ich denke, er ist ziemlich sicher seit der Antike überliefert: „Ich bin ein Mensch, und nichts Menschliches ist mir fremd“. Wie komme ich auf diesen Satz? Genau: bislang hatte ich niemals das Gefühl, dass ich etwas mir komplett Fremdes hören würde. Die Prämisse der „guten Gründe“ (Jeder Mensch hat gute Gründe, sich genau auf seine Weise zu verhalten) macht es mir zusehends schwerer, das Verhalten von Menschen zu verurteilen. Oder besser gesagt ich trenne: Das Verhalten eines Menschen kann ich ablehnen oder auch verurteilen, aber nicht den Menschen an sich. Ist schwer in Worte zu fassen.

Je mehr Gespräche ich führe, desto weniger schrecke ich vor schwierig anmutenden Themen zurück. Und ich verabschiede mich immer mehr davon, etwas Bestimmtes erfahren oder erreichen zu wollen – irgendwie, so mein Eindruck, bin ich gelassener geworden. Vielleicht weil ich zusehends Vertrauen in mich, in die Technik und vor allem in den Raum entwickle, den ich und mein Gegenüber aufspannen und gemeinsam halten, damit sich dort das zeigen kann, was in diesem einen Hier und in diesem einen Jetzt möglich ist.

Schwierige Themen

Schwierige Themen

Es kann immer wieder sein, dass wir mit schwierigen Themen konfrontiert werden. Und es kann immer wieder gute Gründe dafür geben, diese schwierigen Themen zu erforschen und nachzufragen. Vielleicht braucht es erst einmal so etwas wie Würdigung, dass eine Situation jetzt gerade schwierig ist, bevor der Klient bereit ist, vom Thema abzulassen und Angebote, nach Ressourcen zu forschen, anzunehmen.

Bild von Oliver Bender auf Pixabay

Einer meiner Lehrer, Tilman Rentel, ist Co-Autor eines hoffentlich bald erscheinenden Buches „Einfach Fragen – in Licht und Schatten, Eigensprache in der Traumatherapie“, und darin findet sich ein schönes Gesprächsbeispiel, bei dem im Rahmen eines Seminars bewusst mit einem unangenehmen Thema begonnen wurde, um das Aufgreifen und sich Entfaltenlassen von Ressourcen im Gespräch zu demonstrieren. Das Gespräch fand per Zoom statt, d.h. es konnte nicht die ganze Gestik wahrgenommen werden.

Mit seinem Einverständnis und dem des Klienten (das war ich) ist das Gespräch hier ungekürzt wiedergegeben, und ich habe lediglich den einen oder anderen Kommentar hinzugefügt.

„Gibt es etwas, das dir gerade nicht so gefällt?“

„Dass ich krank bin.“

„Magst du beschreiben, was das für ein krank sein ist?“

Getreu der Idee, mit einem eher unangenehmen Thema zu starten, lässt sich der Therapeut dieses „krank sein“ beschreiben.

„Das weiß ich noch nicht so genau. Die letzte Tochter, die bei uns im Haus wohnt, ist Covid-19 positiv und seit ein paar Tagen haben meine Frau und ich auch Symptome. Wir wissen noch nicht, ob es Covid ist oder eine normale grippale Geschichte ist. Es ist halt so Mattigkeit, Kopfschmerzen, Kopfhaut tut weh und es ist einfach „bäh“.“

„Wie hat sich das entwickelt in den letzten Tagen?“

„Begonnen hat es mit einer Schlappheit. Und mit so einem seltsamen Temperaturempfinden, dass ich bei ganz kurzen Bewegungen gefühlte Schweißausbrüche hatte. Und dann eben in der Nacht von Samstag auf Sonntag anscheinend gar nicht mal so hohes Fieber, aber so Träume, wie ich sie nur von Fieberträumen her kenne. Mit sich wiederholenden Szenen, wo ich nicht aussteigen konnte. Das war nicht schön. Und dann halt so Kopf- und Nackenschmerzen. Ab und zu erhöhte Temperatur. Ein bisserl Husten.“

„Bei mir klingen noch die Träume nach, wo Du nicht aussteigen konntest. Magst du etwas dazu sagen, wo du gerne hingekommen wärst, wenn du da ausgestiegen wärst?“

Die Aussage „wo ich nicht aussteigen konnte“ wird aufgegriffen und im Sinne eines Wunschszenarios in eine Frage verpackt.

„Das wäre ganz egal gewesen. Ich weiß gar nicht mehr, was es ist. Es war jetzt kein Alptraum, keine schreckliche Szene. Es hatte irgendwas mit einem Formular im Krankenhaus zu tun und da ist die Arbeitswelt irgendwie hineingeschwommen. Es war nicht nur geträumt. Ich war ja wach und habe gedacht „Ich denke jetzt an was anderes“ und es ist mir nicht gelungen.“

„An was würdest du denn gerne denken?“

Das Angebot, die Ressource des Ausstiegs zu beschreiben, wird nicht angenommen. Also wird nun das „Ich denke jetzt an was anderes“ aufgenommen und nachgefragt.

„Jetzt? Gesund sein ist schon mal nicht schlecht.“

„Magst du mir darüber etwas erzählen, über dieses Gesund sein, was nicht schlecht ist?“

„Gesund sein heißt für mich… hat viel mit Schmerzfreiheit zu tun. Wobei ich kann auch gesund sein und trotzdem Schmerzen haben. Im Vollbesitz meiner – zwar altersmäßig nicht mehr so wilden – Kräfte, aber trotzdem so halt das, was mir zur Verfügung steht, das auch ausnützen können.“

„Wie kann ich mir das vorstellen, wie das ausschaut, wenn du deine Kräfte altersgemäß ausschöpfen kannst?“

Gesundsein als Ressource wird genannt. Die Frage „Wie kann ich mir das vorstellen…“ ist eine Einladung, diese Ressource zu konkretisieren.

„Dass ich kleine Gartenarbeiten machen kann. Dass ich halt das Feuerholz nicht in acht Portionen von A nach B transportiere, sondern auf einmal. Und auch einfach, dass ich irgendwie – sag ich mal – freudiger bin. Weil wenn ich krank bin, werde ich irgendwann miselsüchtig. Das mag niemand von uns, glaub ich. Einen Miselsüchtigen in seinen Reihen zu haben.“

„Wenn du so kleine Sachen im Garten machen kannst und auch freudiger bist. Wie ist diese Freude, die dann auftaucht?“

„Sie ist so zweiseitig. Also auf der einen Seite gibt es dann eine Freude, die eher so (zeichnet eine wellige Linie in der Mitte), vielleicht eher so ähnlich wie kleine Wasserwellen, wo sich das Wasser noch nicht überschlägt. Dass es eher so Wellen macht, die so dahinzwitschern. Und was anderes ist – das stellt sich nach einer Weile erst ein, wenn es eine Weile gut geht – das ist dann so eine Untergrund-Bewegung, so eine Strömung oder so (Handbewegung unterhalb Bild). Unterwasserwellen, die viel langsamer sind. Aber auch so, wo du merkst, die tragen dich jetzt auch gut durchs Leben.“

„Magst du mir dieses Beides nochmal beschreiben. Dieses da oben und dieses da unten (ahmt Bewegungen mit beiden Händen nach)?“

„Das eine ist für die Augen bestimmt und das andere fürs Herz bestimmt… Herz trifft es nicht, stimmt überhaupt nicht. Das eine ist für die Augen und das andere ist für den Körper. Die Augen können das Zwitschernde sehen (Hand macht zwitschernde Bewegung) und der Körper spürt dann das darunter liegende (Hand macht die tiefe Wellenbewegung).“

Mit der „Freude“ kommt Bewegung in den Klienten. Die Gestik unterstreicht die beiden Bilder und wird vom Therapeuten übernommen. Tilman Rentel bringt gerne mal Aspekte des „somatic experiencing“, einer Therapieform, die vor allem mit Körperwahrnehmungen arbeitet, in die Idiolektik ein und fragt weiter:

„Was passiert mit dem Körper, wenn er das darunter liegende spürt (ahmt tiefe Wellenbewegung nach)?“

„Er wird sehr, sehr, sehr durchlässig (bewegt sanft seinen Oberkörper)… man kann auch gut weinen oder ich kann dann gut weinen, aber es ist so eine unglaubliche Entspannung, weil es ist so der Zustand: Es gibt einfach nichts zu tun, was jetzt getan werden muss.“

„Und die Augen, wenn die das Zwitschern sehen, was geschieht dann (ahmt Zwitschern nach)?“

„Das ist eher etwas, was sich eher im Gesicht abspielt. Dann lächle ich, dann kann ich lachen, einfach fröhlich sein. Es ist vielleicht so ein bisschen der Unterschied. Fröhlichkeit ist so was Schnelles und Glück ist etwas Langsames. Das ist das Bild, das ich jetzt habe, jedenfalls.“

Jetzt ist ein Bild da – Fröhlichkeit und Glück. Und sie sind im Körper verortet worden. Um nun das Bild weiter zu explorieren wird weiter nachgefragt. Oft ist es hilfreich, nach der Herkunft von Ressourcen zu fragen, wie jetzt auch hier:

„Und diese Wellen von oben, das Zwitschern, und diese langsamen Wellen. Wo könnten diese Wellen herkommen?“

„Zwitscherwellen werden hervorgerufen durch Wind, durch Steine, die reinfallen, durch Enten, die landen oder starten, oder auch mal, wenn ein Fisch glaubt, er müsse da jetzt einen … fangen oder so. Und die unteren… schwer zu sagen….“

„Was könnte es sein? Wir wissen es ja nicht.“

„Vielleicht ist das wie ein Atem von einem Riesentier, das einfach so langsam ein- und ausatmet, dass du gar nicht merkst, dass das ein Atem ist, weil so viel Masse bewegt ist dadurch, so dass ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass das eine Atembewegung ist.“

„Wie könnte so ein Tier ausschauen, das so eine Atembewegung hat?“

„Also ich stell mir da so ein – was für ein Tier hat so einen Atem? Ich stelle mir so einen riesengroßen Wolf oder so vor. Wobei ich mich jetzt natürlich sofort frage, wie kann ein Wolf unter Wasser atmen, aber das ist mir egal.“

„Mir auch.“

An dieser Stelle macht sich der Klient selbst auf eine Unstimmigkeit aufmerksam – Wölfe können nicht unter Wasser atmen. Aber dieses Bild hat mit der herkömmlichen Realität nichts zu tun, das ist ihm wohl bewusst und er quittiert diesen Umstand mit dem „aber das ist mir egal„, was der Therapeut bestätigt: „Mir auch„, sodass der Klient seinen Gedankenfluss ungestört wieder aufnehmen kann.

„Vielleicht ist es auch gar kein Tier. Vielleicht ist es irgendwie – Wesen ist glaube ich besser. Weil dann lande ich bei Schlotvulkanen und ähnlichem. Also beim Wesen Erde und dem, was sich da so anbietet. Und dann fällt es mir schon wieder leichter.“

„Magst du dazu noch was sagen?“

„Ich muss gerade an einen Disney-Film denken, den wir mal mit unseren Töchtern angeschaut haben. Der heißt Vaiana – so ein hawaiianisches Märchen letztlich – und da ist eine Göttin, die legt sich ins Meer auf die Seite und wird eine Insel. Irgend sowas ist es. Irgendwas, von dem du nicht merkst, dass das ein Wesen ist, weil es sich so selbstverständlich einfügt in die Landschaft. Und trotzdem ist da was, was ganz gewaltig lebt. Und … durch diese langsamen Wellen können wir Anteil haben an dieser fast zeitlosen Welt.“

„Darf ich dich mit diesem Wesen sein lassen?“

„Ja, können wir gerne machen.“

Gesprächsmitschnitt

Der Klient hat ein weiteres Bild eingebracht, um diese „langsamen Wellen“ zu beschreiben. Es wäre natürlich auch reizvoll gewesen, fortzufahren, aber der Zeitpunkt, das Gespräch an dieser Stelle enden zu lassen, war sicherlich eine gute Entscheidung. Bei beiden Personen war eine starke Berührtheit spürbar, und die Gefahr ist groß, dass durch das Hinzufügen weiterer Informationen und Ideen die Wirkkraft des bereits Entstandenen geschmälert wird.

Denn neue Bilder und Ideen brauchen Zeit, um integriert zu werden. Daher ist, sobald eine neue, kleine Erkenntnis formuliert oder ein neues Bild beschrieben wurde, es immer eine gute Möglichkeit innezuhalten und sich zu fragen „braucht es jetzt wirklich noch mehr“?

Bild von David Mark auf Pixabay
Wenn es mit dem Unverfänglichen nicht klappt

Wenn es mit dem Unverfänglichen nicht klappt

Manchmal ist es so, dass unsere Gesprächspartner unsere Angebote, auf Nebenschauplätze oder vermeintlich Unverfängliches zu sprechen zu kommen, schlichtweg ablehnen. Dies mag vor allem dann vorkommen, wenn unser Gegenüber einen großen Leidensdruck hat und die idiolektische Technik noch nicht kennt. Aber ich kenne es ja auch von mir selber – manchmal will ich „Tacheles reden“ und nicht über nette Blumen und Käfer im Sonnenschein. Wie also umgehen mit dem Wunsch meiner Gesprächspartnerin/meines Gesprächspartners und meinem Bestreben nach „Konkretem, vermeintlich Unverfänglichem“ zu fragen? Immerhin war dies ja der Einstieg in die Idiolektik, oder?

Nun, ich habe Gott sei Dank die Technik, welche sich per se ja nicht ändert, das heißt, ich kann meinen Handwerkskoffer nehmen und mit den bekannten Werkzeugen arbeiten. Welche Möglichkeiten gibt es denn, und was kann hilfreich sein?

„Gibt es etwas, das Du heute erzählen magst?“

„Naja… eigentlich wollte ich ja von meinen Plänen mit der Firma erzählen, aber jetzt… mein Nacken, meine Schultern tun seit Tagen weh, oder… nein, nicht weh, aber da ist so Druck und Spannung oder so… das zieht sich den Rücken runter bis hierhin ungefähr (deutet auf Nierengegend). Ist halt nicht angenehm.“

„Was sind denn die Pläne für Deine Firma?“

„Ah, da mag ich jetzt gar nicht reden. Aber das mit dem Rücken und so…“

Der erste Gesprächseinstieg, auf eine vermeintliche Ressource zu kommen, wurde also abgelehnt. Vielleicht wäre es besser gewesen, an dieser Stelle ganz offen zu fragen „Und jetzt – worüber magst Du jetzt reden?“, dann wäre diese kleine Irritation vielleicht ausgeblieben. In meinem Bemühen, anfangs auf das vermeintlich Unverfängliche zu kommen, habe ich wohl ein gegenteiliges Signal übersehen. Um das transparent zu machen, frage ich also weiter und lasse mir -nach einer Bestätigung- „das mit dem Rücken“ beschreiben.

„Ich habe den Eindruck, das mit dem Rücken beschäftigt Dich gerade?“

(nickt und brummt was in der Art von Mhm)

„Kannst Du mir das etwas genauer beschreiben, wie das jetzt gerade ist?“

Ich greife also auf die Technik, mir etwas beschreiben lassen zurück – auch hätte ich konkreter fragen können „Kannst Du mir den Druck und die Spannung genauer beschreiben? Wie kann ich mir die vorstellen?“, aber in der Gesprächssituation fiel mir dies aus welchen Gründen auch immer nicht ein.

(Setzt sich aufrechter hin, macht kurz ein Hohlkreuz) „Jetzt gerade… hmm…“ (kreist mit den Schultern) „Es fühlt sich wie eingerostet an, aber so große Kreise mit den Schultern, also mit… das tut gut, da knirscht und grammelt es richtig.“

„Knirscht und grammelt?“

„Ja, als würde sich da ganz viel Rost lösen irgendwie. Aber dazu… Also, das geht nur wenn ich ganz große Kreise mache.“

„Und wenn sich der Rost löst… Was ist dann?“

„Dann geht die Bewegung viel leichter. Jetzt tut sie… jetzt ist sie unangenehm, jedenfalls ab hier.“ (verharrt in einer bestimmte Position, der Oberarm ist etwa auf Höhe des Ohres) „Aber wenn ich da jetzt ganz langsam weiter mache…“ (macht die entsprechende Bewegung) „… dann geht es. Und wenn ich es noch einmal mache, geht es besser. Und irgendwann… naja, man wir ja noch träumen dürfen.“ (Lacht wie verlegen)

Das Bild vom Rost, der sich ablöst, führte zu ganz konkreten körperlichen Bewegungen und Empfindungen. Konkreter geht es ja fast nicht. Wir blieben eine ganze Weile bei diesen Bewegungen und dem Traum, dass er „ganz geschmeidig, kraftvoll und ohne Schmerzen die Arme wie eine Windmühle herumschleudern“ kann.

„Wie macht das eine Windmühle?“

„Naja, die ist ganz stabil gebaut. Die muss gut verankert sein. Ja, und sie… ha, ich glaube, die kann sich mit dem Wind drehen, also so ausrichten, so… dass sie den Wind halt optimal auffangen kann. Und wenn der Wind zu stark ist, dann kann man irgendwie die Flügel anlegen, ich denke das ist ganz wichtig.“

„Und wann weiß man, wann man die Flügel anlegen muss?“

„Ja, ich denke das ist Erfahrung. Oder vielleicht spürt man es auch, ich kann mir vorstellen, dass die Mühle dann vibriert, so auf eine Art dass man weiß… Vielleicht passiert das auch von alleine, also dass da so ein Mechanismus ist, der die Flügel einklappt, wenn sich das Ding zu schnell dreht. Das wäre natürlich ziemlich schlau.“

Im Laufe des Gespräches pendelten wir zwischen dem Schulter-Rückenbereich, Rost und der Windmühle hin und her. Auch ein Falke und ein Tölpel kamen kurz vor – sie legen die Flügel ganz eng an, um Geschwindigkeit aufzubauen, im Falle des Tölpels um tief ins Meer einzutauchen. Aber das Hauptbild, die Hauptmetapher war die Windmühle. Dabei tauchte wieder der „Druck und Spannung“ von der Eingangssequenz auf.

„Druck und Spannung – wie kann ich mir das vorstellen?“

„Hmm… So das Gefühl, dass… ja, dass auch in Ruhe die Muskeln angespannt sind. Wäre dabei doch gar nicht nötig. (…)“

„Und hast Du eine Idee, wann es gut sein könnte, die Muskeln angespannt zu haben?“

„Wenn ich in Gefahr bin. Oder auf der Hut sein muss, damit ich dann ganz schnell reagieren kann. Aber irgendwann muss doch auch mal Ruhe sein, oder?

Wir blieben eine kleine Weile bei diesem Gegensatzpaar Spannung und Ruhe. Die Sequenz endete damit, dass mein Gegenüber sich im Sessel zurechtrückte und eine Position einnahm, die er beschrieb als

„So wie jetzt… Da kann ich ruhig sein. Ich habe da eine Stütze im Rücken, auch einen Schutz. Da kann nix kommen. Und auch mein Kopf… es ist gut, den Kopf auch anlehnen zu können. Zu Hause habe ich keinen solchen Sessel…“ (Lacht) „Ich glaub, ich werd mir so einen kaufen!“

(…)

„Und wenn Du jetzt so zurückdenkst an das Gespräch… die Schultern, Druck und Spannung, Rost der sich löst, Windmühlen die wissen, wann sie die Flügel einklappen müssen… und auch an die Vögel… Was geht Dir dann so durch den Sinn?“

„Hmm… dass ich so die Schultern, also dieses Schulterkreisen hat gut getan, fühlt sich schon besser an. Und was mir so durch den Sinn geht… Irgendwie dass… so ein Bild, dass man sich manchmal von Wind so richtig durchputzen lassen muss, mit ausgebreiteten Flügeln. Dann fliegt der ganze Rost weg. „

Das Gespräch endete kurz nach dieser Sequenz. Leider fand es keine Fortsetzung. Natürlich hätte ich gerne gewusst, ob das Gespräch und die aufgetauchten Bilder sich als hilfreich erwiesen haben. Aber so ist das halt – manchmal dürfen wir sozusagen die Ernte eines Gespräches miterleben, und manchmal eben nicht.