Scheinbare Nebensächlichkeiten I
Es gibt so viele Aspekte, die das Gelingen eines Gespräches beeinflussen. Einige sind ganz banal, andere ein bisserl komlizierter, manche waren für mich unerwartet. Kurzum, in dieser losen Serie „Scheinbare Nebensächlichkeiten“ möchte ich ungeordnet und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Dinge erwähnen, mit denen wir uns das Leben und gelingende Kommunikation leichter machen können, und auch mögliche Hintergründe und Erklärungsmodelle (die ich mir so aus verschiedenen Quellen zusammengereimt habe) für einige „idiolektische“ Techniken und Rahmenbedingungen liefern.
Wieso sitzen wir nebeneinander?
In idiolektischen Gesprächen sitzen wir meist eher nebeneinander als einander gegenüber (was bei ZOOM-Gesprächen natürlich nicht so ganz funktioniert). Das mag zu Beginn irritierend sein, aber mittlerweile genieße ich es.
Gemeinsam das Bild betrachten
Mir gefällt die Vorstellung gut, dass im Laufe eine Gespräches ein Bild entsteht, ein Gemälde, und mein Gegenüber (also eigentlich mein „Nebenmir“, aber ich bleibe beim „Gegenüber“) und ich nebeneinander sitzend auf dieses sich entfaltende Werk blicken.
Dann und wann stellt sich bei mir dann ein Gefühl ein, wie ich es von z.B. Wanderungen kenne: wenn wir nebeneinander nach einem Aufstieg stehend oder sitzend rasten und ohne Worte, in einer Art stillem Einverständnis, die Landschaft betrachten. Diese Art der Nähe finde ich wunderbar.
Sein können wie ich jetzt gerade bin
Idiolektik ist bemüht, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem mein Gegenüber möglichst ohne Sorge all das zeigen und aussprechen kann, was sich in diesem Hier und Jetzt eben zeigen und Gehör verschaffen mag. Und das fällt mir leichter, wenn ich vor mir einen freien Raum sehe. Gesichter und Augen üben auf uns einen fast unwiderstehlichen Reiz aus, ziehen unseren Blick auf sich. Und es scheint auch so zu sein, dass, wenn wir Augen auf uns gerichtet sehen, wir uns beobachtet fühlen und eher Erinnerungen und Ideen kommunizieren, die wir als gesellschaftlich akzeptabel ansehen. Dazu gibt es ja mehrere nette Experimente. Das wohl bekannteste ist das folgende:
Ein Kaffeeautomat in einer Kantine, daneben eine Box, in die die KaffetrinkerInnen die ihnen angemessen erscheinenden Beträge einwerfen. Eine Woche lang hing über dieser Box (ich habe neulich gelesen, dass diese im Englischen „honesty box“ heißt – welch schöne Bezeichnung!) ein neutrales Bild – Landschaften, Blumen. In der nächsten Woche dann ein Augenpaar, oder die Großaufnahme eines zugewandten Gesichts. Dieses Spiel wurde über einige Wochen wiederholt und am Ende jeder Woche ein Kassasturz gemacht. Ergebnis: Allein durch das Anbringen von „Augenbildern“ bezahlten die KaffeetrinkerInnen im Schnitt den 2,75-fachen Betrag für ihre Getränke.
Die Freiheit, plaudern oder einfach gehen zu können
Idiolektische Gespräche sind des Öfteren von einer Leichtfüßigkeit getragen, die durchaus auch bei großen Themen eher an eine angelegentliche Plauderei erinnert. Bei mir ist es jedenfalls tatsächlich so, dass so eine Plauderstimmung sich eher in einem Nebeneinander- als in einem Gegenübersitzen einstellt.
Ein Gedanke, den einer meiner Lehrerinnen äußerte ist: wenn vor mir der Raum frei ist, habe ich eher das Gefühl, jederzeit aufstehen und einfach gehen zu können, als wenn mir gegenüber jemand sitzt. Das mag dazu führen, dass unser Gegenüber sich vielleicht weniger eingeengt fühlt, und somit in einem entspannteren Gesamtzustand ist.
Und ein solcher ist halt ungemein hilfreich…